Es ging doch lange so gut! Ich musste mich nie bewerben. Es ging immer nur rauf. Und dann geht plötzlich gar nichts mehr! Das kann doch nicht sein! Ich kann nicht zählen, wie oft ich diese Sätze gehört habe. Von Menschen, die auf der Stelle treten, sei es im Unternehmen oder bei der Bewerbung. Was sind typische Einbahnstraßen und wie kommt man wieder raus? Hier eine kleine Orientierungshilfe.

1. Karriere-Einbahnstraße Alpha-Revier

Es gibt Persönlichkeiten, die setzen sich über Jahre mit guter Leistung durch. Das sind oft die, die schon in der Schule gute Noten hatten. Sie werden immer wieder befördert, weil es gute Arbeiter sind. Sie besitzen eine hohe Leistungsorientierung, das könnte man auch mit Fleiß übersetzen. Im Rangdynamik-Modell nach Schindler sind es eher die „Betas“. Sie halten dem Alpha den Rücken frei. Aber ihnen fehlen Ellenbogen; die haben nur Alphas, die sich eben nicht nur über Leistung, sondern auch über Durchsetzung definieren. Deshalb kommen diese Menschen ab einer bestimmten Stelle nicht mehr weiter. Oft ist es die zweite oder dritte Ebene in Konzernen.

Was tun? Selbstständigkeit ist eine gute Alternative bei einem Karrierehindernis dieser Art. Leistungsorientierte, weniger machtbewusste Menschen sind oft gute Unternehmer. Leistung und Erfolg neu zu definieren – auch das eine wichtige Maßnahme. Manch „Beta“ kann in einem anderen – kleineren – Kontext doch Alpha werden. Vielleicht geht es doch auch anders…  Lesen Sie dazu meinen Beitrag über den Fischteicheffekt. Und: Es muss nicht lebenslang der 100.000-Euro+-Job sein.

2. Karriere-Einbahnstraße Stillstand

Führungspositionen sind rar. Durch den Abbau von Hierarchien gibt es immer weniger davon. Gleichzeitig wächst die Zahl der Akademiker, die sich entwickeln wollen. Das ist ein Konflikt, zumal in Fachpositionen der Seniortitel in wenigen Jahren erworben ist. Und dann? Die nächsten dreißig Jahre weiter so? Dann tritt nicht selten Langeweile ein.

Was tun? Öfter mal was Neues. Nach 10 Jahren ist es Zeit mal ganz neu zu schauen, alte Überzeugungen zu überdenken und neue Erfahrungen zu sammeln. Manchmal ist es jetzt auch ie Gelegenheit, runterzufahren und die Lebensprioritäten neu zu definieren. Machen Sie mal etwas nur für sich selbst, aus reinem Interesse, ohne an den beruflichen Nutzen zu denken. Das ist oft die beste Maßnahme und leitet garantiert in etwas Neues – nur wissen Sie nicht in was. Ohne Offenheit für einen unsicheren Ausgang keine neuen Erfahrungen. Ganz einfache Regel.

3. Karriere-Einbahnstraße Qualifikation

Durchsetzungsstarke Alpha-Menschen kommen gerade am Anfang des Karrierelebens weiter, ähnlich wie die Leistungsorientierten, nur auf einer anderen Ebene. Sie sind meist extravertierter und haben ein gutes Auftreten. Doch sie vergessen dabei ihre Ausbildung, Weiterbildung und sinnvolle Karrierewege. Nach wie vor ist es zum Beispiel so, dass ein Marketingleiter ohne Vertriebserfahrung schwer in die höchste Ebene gelangen wird. Außerdem klappen Bewerbungen gerade im Marketing mit zunehmenden Alter immer schlechter (anders als im Vertrieb). Mehr und mehr offenbart sich auch, dass ohne Studienabschluss viele Positionen unter Verschluss bleiben.

Was tun? Regelmäßiger Lebenslaufcheck. Den inneren Schweinehund überwinden. Sich selbst auch mal in Frage stellen, was diese früher so erfolgreichen Menschen oft erst tun, wenn es nicht mehr anders geht. So wie die Leistungsorientierten zu viel auf Qualifikation gesetzt haben, haben Sie vielleicht zu wenig darauf geachtet.

4. Karriere-Einbahnstraße Selbstüberschätzung

Manche Menschen haben ein schiefes Selbstbild. Ich sehe das immer wieder bei Leserbriefen, die auf meine Spiegel-Online-Kolumne hereinkommen. Diese Menschen kommen nicht in die Beratung. Aber sie schreiben lange E-Mails, warum sie so toll sind und die Arbeitgeber einfach zu blöd seien, das zu erkennen. Sie formulieren dann Dinge wie „warum soll ich mich ändern, die Arbeitgeber sollen es und mich nehmen wie ich bin.“ Das ist grundsätzlich richtig, nur zeigt sich an anderen Stellen, dass jegliche Anpassungsbereitschaft fehlt. Ohne Anpassung ist menschliches Miteinander aber nicht möglich. Man wird inkompatibel mit seinem Ich-will-so-bleiben-wie-ich-bin.

Was tun? Diese Menschen sind beratungsresistent. Sie sind im Grunde oft unsicher, kompensieren das aber durch ein übertrieben sicheres Auftreten. Es muss in ihrem Leben etwas passieren, was ein Umdenken anregt, zum Beispiel eine lange erfolglose Jobsuche.

5. Karriere-Einbahnstraße Ortsgebundenheit

Mit steigender Spezialisierung steigt auch die Gebundenheit an Regionen. Es gibt Autostädte, Medienstädte oder auch Verwaltungshochburgen. Ein Ortswechsel hat meist mit privaten Themen zu tun, etwa einer Familiengründung. Und wenn die Frau oder Freundin oder auch der Mann nicht mit umziehen will, hat das oft Karriere-Konsequenzen. Wenige Firmen schätzen Pendler. Die meisten erwarten immer noch, dass jemand mit Sack und Pack umzieht.

Was tun? Manchmal ist es besser, nicht mit total offenen Karten zu spielen. Ich kenne Leute, die jahrelang pendelten, hätten sie das aber von vornherein gesagt, hätten sie den Job nicht bekommen. Einige Jobs lassen sich zudem zum Großteil virtuell ausüben und bei anderen ist man eh immer am Flughafen, so dass der Heimatort auch keine große Rolle mehr spielt. Passt alles nicht, hilft nur die Neuorientierung – in einen Job, der am Wunschort gefragt ist.

6. Karriere-Einbahnstraße Branchensterben

Viele Branchen sind im Umbruch. Sie schrumpfen oder verändern sich radikal. Alte Erfolgsrezepte gelten dann nicht mehr, die Stellen werden rarer. Manche Branchen verlassen Deutschland, etwa die Textilindustrie. Was bleibt, ist ein Überschuss an Mitarbeitern. Vielfach ist Branchenwechsel nicht einfach möglich. Einen Textildesigner braucht ein Maschinenbauunternehmen nicht. Und einen Luftfahrtingenieur kann die Bauindustrie auch nur schwer „verwerten“.

Was tun? Immer bewusst reflektieren, wie sich die eigene Branche verändert. Was boomt? Wie passt das, was sie bisher gemacht haben, zu diesem Boom? Gerade boomt Big Data, im Handel ist Category Management ein Thema. Schauen Sie, was in anderen Branchen gebraucht wird, und bauen Sie Know-how auf. Rechnen Sie aber damit, dass das dauert.

 

Beitrag teilen:

Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

4 Kommentare

  1. David 18. November 2015 at 12:44 - Antworten

    Hallo

    Sie haben die vergessen die nach einer weiteren Ausbildung oder Umschulung keine Chance bekommen weil sie keine Erfahrungen im neuen Beruf haben.
    Und auch die, die durch viele kurze Anstellungen, einen weniger guten Lebenslauf haben, haben es schwer eine neue Stelle zu finden.

    Mit freundlichen Grüßen

    David Groer

  2. […] sind wichtig. Auch wenn man erst mal im Berufsleben angekommen ist, sollte man nicht stehen bleiben. So sehr man sich in der Uni noch darüber gefreut hat, dass man endlich scheinfrei ist und […]

  3. Jan T. 19. November 2015 at 10:29 - Antworten

    Sehr kluger Artikel, vielen Dank dafür!

    Gerade ich als junger Arbeitnehmer mit einer Arbeitserfahrung von mittlerweile 5 Jahren denke sehr ähnlich – es kann mit dem Job und stetiger Weiterentwicklung nur klappen, wenn ich offen bin für neue Entwicklungen & mich fachlich immer weiterqualifiziere. So etwas klappt nur bei starker intrinsischer Motivation mit klaren Vorstellungen vom eigenen Leben & eigenen Werten.

    Einzig die Alpha-Beta-These teile ich nicht ganz: aus meiner Sicht sind die sogenannten fachlich versierten und wissensstarken Betas besser für Führungspositionen geeignet, sofern sie die eigenen unnötigen “Angst- und Zurückhaltungsketten” sprengen.
    Wer möchte schon einen lediglich “scheinbar” kompetenten, sehr auf äußere Anerkennung & Etikette gerichteten Vorgesetzten? Das schwingt wenig Tiefgang mit …

  4. Markus 27. November 2015 at 14:18 - Antworten

    Ich selbst finde es persönlich total schwierig, abzuschätzen, wo das richtige Mittelmaß zwischen “Sich selbst treu bleiben” und “Sich anpassen” liegt. Braucht man da überhaupt ein Mittelmaß oder gibt es so etwas wie eine pauschal richtige Variante?

Einen Kommentar verfassen