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Kluge Berufsentscheidungen: Wie Sie Bauch und Kopf zusammenbringen

Veröffentlicht: 31. Januar 2014Kategorien: Führung & Organisation

Sich zwischen drei Jobangeboten zu entscheiden, ist schon schwer. Unter 70.000 Studiengängen den passenden zu finden, ist dagegen fast unmöglich. Vor lauter Überforderung entscheiden sich immer noch die meisten Menschen für die klassischen Studiengänge wie BWL oder Jura. Und obwohl sich die Zahl der Ausbildungen von rund 800 auf 345 reduziert hat, wählen die Lehrlinge heute noch die gleichen Berufe wie vor 10 Jahren. Man entscheidet sich für das, was man kennt. Das ist menschlich. Unser Gehirn blendet das ständige Zuviel an Informationen einfach aus, mehr als fünf bis sieben Infos auf einmal kann es gar nicht zeitgleich verarbeiten. Das heißt, eine Menge an Information bricht einfach weg, läuft an uns vorbei, wird absichtlich oder unabsichtlich ignoriert.

Foto: MS Office

Foto: MS Office

Warum landete kürzlich wieder Audi auf Platz 1 der Liste  beliebtester Arbeitgeber? Nicht, weil es wirklich der beste Arbeitgeber ist, sondern in der subjektiven Realität der befragten der am schnellsten verfügbarste und positiv besetzte. Dahinter steckt ein sozialpsychologisches Phänomen, es nennt sich Verfügbarkeitsheuristik. Wir halten etwas für richtig, weil wir es oft sehen und hören. Ein „Audi“ ist eben verfügbarer als ein B2B-Unternehmen, das sehr innovativ ist, aber eben nicht bekannt.

Unsere Entscheidungen orientieren sich lieber am Bekannten als am Neuen, weil das Neue mehr Nachdenken erfordert. Verschiedene Kognitionsforscher unterscheiden jeweils zwei verschiedene Denksysteme, der bekannteste ist der Nobelpreisträger David Kahnemann. Er nennt es System 1 und System 2. System 1 ist das schnelle Denken, das uns wenig anstrengt. System 1-Entscheidungen lauten zum Beispiel: „Ich entscheide mich für BWL, das scheint ein sicheres Fach zu sein.“ Oder: „Ich brauche Auslandserfahrungen, also gehe ich in die USA.“

System 2 verbraucht wesentlich mehr Energie. Hier geht es um Nachdenken, tieferes Sinnen, zum Beispiel über eigene Beweggründe, Ziele und Gegenbeweise für scheinbare Tatsachen und Thesen. Fragen Sie sich bei allem, was Ihnen so als „Musterlösung“ präsentiert wird, ob es nicht einen Beweis für das genaue Gegenteil geben könnte. Berufsentscheidungen sollten immer AUCH mit dem System 2 durchdacht werden.

System 1 repräsentiert, wenn Sie so wollen, den Bauch oder auch das „Herz“. Natürlich gibt es weder Bauch noch Herz als Entscheidungsträger – es ist alles in unserem Kopf. Und dort gibt es zwar zwei Gehirnhälften, jedoch ist nicht die eine für das Gefühl zuständig und das andere für die Logik wie manche (schlecht informiert) behaupten. Es läuft alles zusammen und die meisten Gehirnfunktionen sind auf beiden Seiten vorhanden. Sich auf den Bauch oder das Herz  – im Grunde genommen also auf System 1 zu berufen – ist richtig, wenn man ausreichend Informationen verfügbar hat und in alle Richtungen gedacht hat.

Dann kann es sein, dass System 2 Argumente für System 1 liefert – und Ihr „Gefühl“ bestätigt, dass das Studium des Produktdesigns genau richtig für Sie ist (Sie haben dann nämlich auch Dinge bedacht wie die Tatsache, dass dort ganz schön viele sehr begabte und/oder sehr von sich überzeugte Leute sein werden, was Ihr Selbstbewusstsein arg beeinträchtigen kann, sollte es nicht im selben durchschnittlichen Zustand sein wie das der Vergleichsgruppe). Dieses Zusammenführen von System 2 mit System 1 erlebe ich in der Beratung öfter. Ich erlebe es aber auch andersrum: Dann will System 1 etwas, für das System 2 keine Argumente liefern kann. „Ich will aber einen richtigen Beruf haben, in dem man auch gut verdienen kann, deshalb werde ich Lehrer“, ist eine typische System 1-Begründung.“

Dagegen lesen Sie das: „Ich kann wunderbar mit jungen Erwachsenen umgehen. Ich möchte Ihnen meine Leichtigkeit im Umgang mit Zahlen vermitteln und dabei immer besser werden.“ das wäre eine Begründung, bei der er es gelungen ist System 1 und System 2 zusammenzubringen. Der Weg zu solchen Begründungen kostet oft Zeit und eben – Gehirnkapazität. Andrerseits verbrauchen Sie so mehr Kalorien. Es lohnt sich also, sich darauf einzulassen.

Zu diesem Beitrag passt unser Selbstlernkurs für Berater über Denkfehler “Vorsicht, Irrtum” und der Kurs für Abiturienten “Dein Studien- oder Ausbildungsziel finden”.

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

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