„Eine 25jährige nehme ich nicht mehr“, sagt der Geschäftsführer. „Lieber eine mit 55, auf die kann man sich  verlassen.“

Das ist ein Originalzitat. Gehört von einer meiner Klientinnen in einem Vorstellungsgespräch. Von einem Unternehmen, das seit einem Jahr immer wieder versucht, jemand Zuverlässigen, Loyalen zu finden –  vergeblich. „Die eine war sofort krank, die nächste schwanger….und eine wollte Donnerstagsvormittags immer zum Wochenmarkt und dafür frei haben.“

Ich habe einige „junge“ Mitarbeiterinneren ausprobiert.  Deren Vorteil: Technisch teils absolut up-to-date. Eine junge Lehramtsanwärterin mit Webdesigner-Freund hat mir meinen damaligen Shop aufpoliert und so den Umsatz zeitweise verdoppelt. Sie hatte Riesenspaß, ich einen tollen Nutzen. Andrea, zu der Zeit Stage-Schülerin, jetzt Datenbankerin, hat aus dem nichts meine Datenbank aufgebaut. Ich würde heute noch mit Excel arbeiten, wenn sie nicht gewesen wäre. Sie hat das eigenständig gemacht und teils am Wochenende und Abends. Und immer noch rufen wir sie an, wenn es mal hakt…

Die jungen Frauen haben Vorzüge. Technikaffine  gibt es auch unter den älteren Mitarbeitern, aber eben seltener. Allein die Niveaus im Umgang mit Office-Programmen unterscheiden sich. Das merke ich nicht nur hier, das merke ich auch bei Kunden. Oft haben sie jahrelang nichts gemacht und sich so durch Word durchgewurstelt. Das rächt sich beim Arbeitgeberwechsel.

Aber: Die jungen sind nicht treu, nicht loyal, sie bleiben nicht. Ein kleines Unternehmen wie meins ist für sie nur eine Durchgangsstation. Ich würde es ihnen auch gar nicht raten, mehr daraus zu machen.  Es ist OK.

Meine Assistentin ist über 60 Jahre. Sie ist zuverlässig, loyal und ehrlich. Ich vertraue ihr meine Bankgeschäfte an. Sie kennt alles: sogar meine  Arztrechnungen. Sie ist nicht ganz so schnell und wenn ich sage „find´s doch mal selbst raus“, wenn mal etwas nicht funktioniert, sagt sie „dann zahl mir ein Seminar.“ Ich gebe zu, ich muss dann schlucken.

Aber am Ende des Tages, der Wochen, der Monate und Jahre überwiegen die Vorteile die Nachteile bei weitem. Ich kann jemand, der ernsthaft weiterkommen und viel lernen möchte, nicht wirklich empfehlen bei mir zu arbeiten. Oft rieten mit Kollegen, es doch mal mit diesem oder jenen Mitarbeiter zu versuchen: „der ist ganz leistungsstark und engagiert. Und ein Mann ist jemand wie dir auch gewachsen!“

… Ehrlich gesagt: Ich brauche jemand, dem ich meiner Arztrechnungen, meine Überweisungen, meine tiefsten Bankgeheimnisse anvertrauen kann! Wo ich sicher bin, er plaudert Interna nicht aus, behält es für sich, wenn hier mal jemand Bekannteres ins Coaching kommt. Und keine, die ihren Freundinnen sagt „weiß du, wer neulich hier war….“

Ich fürchte mich auch nicht vor den Leistungsstarken; im Gegenteil. Ich weiß nur, sie würden unterfordert sein. Sie sind hier nicht richtig.

Warum ich das schreibe?

Weil das, was ich denke, ganz viele Arbeitgeber denken, gerade die kleinen. Und Bewerbern, gerade den über 45jährigen, oft nicht klar ist, worauf es wirklich ankommt: Treue, Loyalität, ein freundliches Auftreten. Man muss sicher sein können, dass die Dinge auch bearbeitet werden. Seine Unterlagen hinterher wiederfinden. Das Gefühl haben, da wird einem der Rücken freigehalten.

Das ist die Qualität von über 45jährigen, ja – über 60jährigen. Sie müssen sich nichts mehr beweisen. Sie wollen einen Job, aber keine Karriere mehr. Ich kann das nur empfehlen.

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

9 Kommentare

  1. Boris Schneider 13. September 2013 at 18:52 - Antworten

    Endlich mal jemand, der meine Meinung teilt. Genau das Selbe habe ich auch schon des Öfteren gedacht. Unter den jungen Leuten gibt es auch Loyale, aber das ist eine echte Seltenheit mittlerweile. 😉

  2. Lars Hahn 14. September 2013 at 6:25 - Antworten

    Ja. Lebenserfahrung und Gelassenheit gibt’s meist erst ab 55! Ganz genau. Wenn Du jetzt noch verrätst, dass es die gute Mischung macht und dass Du gleichzeitig auch noch jüngere Mitarbeiterinnen am Start hast, dann bin ich vollends glücklich.

    Bei mir ist das übrigens so: ich brauchte lange, um zu erkennen, dass ein Fähigkeiten-Mix eben nur durch eine liebenswerte bunte Truppe herzustellen ist. Und dann hast Du eben Jung und Alt, Langsam und Schnell, Bewahrer und Veränderer.
    Das macht den Laden bunt und lebensfähig.

    Von wem ich das gelernt hab? Von meinem Co-Chef. Und der ist 60 und so ganz anders als ich.

    P.S. Wir sind eine kleine Truppe bei der LVQ.

  3. uwe kaddik 16. September 2013 at 13:33 - Antworten

    Wunderbar, das kann ich nur unterstützen und wenn es sich dann durchsetzen würde, noch schöner. Gerade auch unter dem Aspekt der längeren Lebensarbeitszeit.
    Nur, meine Erfahrungen bei Bewerbungsprozessen wären generell gegenteilig.

    MFG

  4. Jens Jannasch 16. September 2013 at 14:29 - Antworten

    Ähnliches höre ich zur Zeit bei Arbeitgebern, welche diverse Arbeitsplätze zur Unterstützung des Fachpersonals benötigen.
    Sie sagen, Bewerbungsunterlagen und Ausbildungen interessieren sie nicht mehr primär. Sie brauchen MitarbeiterInnen, welche die vorgegebenen Aufgaben erledigen. Ich bin Hauptberuflich Job Coach für Menschen mit psychischen und/oder geistigen Behinderungen. Wenn unser Team auf Akquise geht und ein Unternehmen Interesse einer Kooperation zeigt, soll dieses ein Stellenprofil aufschreiben. Bei fast allen steht an erster Stelle: Motivation, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit. Alle anderen Kenntnisse sind dann zweitrangig. Die Erfahrung in diesen Unternehmen hat oft gezeigt, dass – auch hier ein O-Ton eines Geschäftsführers- “die jungen leute mit ihrem Abi denken, man verdient eine Stange Geld, ohne sich dabei die Hände schmutzig zu machen”. So haben meist Produktionsbetriebe große Probleme passendes Personal zu finden. Ich kenne einige Industrieunternehmen, welche es aufgegeben haben, Azubis zu suchen, da ein Großteil sich entweder für handwerkliche Arbeit nicht interessiert- oder auf Grund der Leistungsbereitschaft die Ausbildung nicht lange durchhält.
    Natürlich: jetzt bleibt zu hinterfragen, woran es liegt: steigende Anforderungen in Ausbildungsbetrieben (“Früher” hat man mit einem Hauptschulabschluss eine KFZ Lehre machen können, heute schafft man dies ohne Abitur fast gar nicht mehr), sinkende Bildungsqualität etc.
    Fakt ist aber aus unserer Erfahrung im Bereich der Helfertätigkeiten: Unternehmen brauchen Personal, das die Arbeit gut erledigt. In der Praxis. Und nicht theoretisch weis wie es funktioniert, aber es praktisch “zwei linke Hände” hat.
    Und da komme ich auf das eigentliche Thema zurück:
    Die Motivation sich zu bewerben. Was sind meine Stärken?
    Die Schwächen interressieren die Firmen nicht. Keine Firma stellt einen ein, weil er tolle Schwächen hat. Oder zu alt ist. Oder zu behindert. Ein Unternehmen entscheidet sich für den Bewerber mit den meisten Nutzen für das Unternehmen. Und da sollte man bei der Bewerbung genau hinschauen. Was ist es für ein Unternehmen, was wird benötigt und vor allem: was bringe ICH dem Unternehmen. In einem Coaching kann man sich (wieder) seiner Stärken bewusst werden. Und Selbstvertrauen bekommen.
    Denn: einem Unternehmen kann jemand mit 20 Jahren Berufserfahrung und einer “normalen” Ausbildung durchaus mehr bringen, als ein frischgebackener Hochschulabsolvent.

    Und der Erfolg in unserem Bereich bestätigt diese Theorie. Wir coachen zur Zeit über 50 Menschen mit Behinderung in über 35 Firmen des 1. Arbeitsmarktes. Es haben bereits viele einen Arbeitsvertrag erhalten.
    Warum? Weil sie den Firmen gezeigt haben, was sie leisten können.

  5. […] Lieber eine 60-jährige als eine mit 25? […]

  6. Eva Maria Goldmann 17. September 2013 at 9:17 - Antworten

    Diese und ähnliche Aussagen höre und lese ich auch immer häufiger – mit viel Hofefnung. Wobei ich es da mit Lars Hahn halte: Die Mischung macht´s – nicht nur im Alter auch in den Charakteren, Erfahrungen etc.
    Die Realität bei sehr vielen 45+ sieht aber anders aus: Immer wieder bekommen ältere Bewerber zu hören (meist durch die Blume, um nicht das AGG zu verletzen), dass sie nicht mehr flexibel genug seien, zu teuer oder vermutlich nicht mit einem jüngeren Chef zurecht kämen, zu wenig belastbar – etc.
    Ich bin zwar überzeugt, dass langsam eine Änderung in der Denkweise stattfindet, aber ich befürchte, dass sie für die heute älteren Bewerber zu spät kommt.

  7. Sonja Rieder 17. September 2013 at 9:50 - Antworten

    Sehr oft wünsche ich mir, ich hätte als Coach eine “Mut-Spritze” oder besser gleich eine “Selbstbewusstseins-Spritze” parat, mit der ich meine Klienten/innen mit dem Benötigten impfen könnte. Denn auf diese Komponenten kommt es (auch) an, va. bei älteren Bewerbern/innen.
    Wenn sie selbst nicht zuversichtlich sind hinsichtlich ihres Könnens, wie können sie dann einen möglichen Arbeitgeber überzeugen?
    Irgendwer hat mir mal gesagt, fahr ans Meer, das Meere macht Mut. Mut kann man sich von außen holen, etwa in der Natur – und das ist gut. Aber auch der innere Reichtum ist zugänglich und muss oft nur wieder entstaubt werden: Kaum wer hat es immer nur leicht im Leben gehabt, und die allermeisten Menschen können daher auch auf Situationen zurückblicken, die sie gut gemeistert haben. Das Zurückschauen auf in der Vergangenheit Erreichtes kann zuversichtlich machen – nur Mut!

    • Svenja Hofert 17. September 2013 at 10:20 - Antworten

      Ja, das mit dem Mut ist ganz wichtig. Ich könnte manchmal heulen, wenn ich höre, wie viel Dummheit meinen älteren Klienten auf dem Weg zum neuen Job begegnet. Sprüche wie “sie sind sich klar, dass sie alles annehmen müssen” oder “sie sind ja verwöhnt” bis hin “ich brauche hier ne Tussi zum Anpacken, da kommen Sie gerade recht.”
      Dabei wird er anfängliche Mut und Optimismus oft schnell kaputt gemacht. Es ist schwer, sein Selbstbewusstsein aufrecht zu erhalten, wenn man ständig Abwertendes hört. Die Arbeitsagentur bei uns tut viel dazu (wiewohl es gute, positive Berater gibt, der Punkt ist). Ich würde die gern zu mehreren Wochen Schulung in wertschätzender Beratung Älteren gegenüber verpflichten… aber fürchte: da sitzen oft “Bubis”, die selbst mit sich nicht im Reinen sind und kippen ihren Frust auf die ü45er.
      Man darf sich davon nicht aus dem Mut-Konzept bringen lassen 🙂

      • Sonja Rieder 17. September 2013 at 10:40 - Antworten

        Ja, Sie haben natürlich Recht. Es ist in der Tat schwer, das Selbstwertgefühl hochzuhalten, wenn es immer wieder von anderen runtergezogen wird.

        Aber man muss sich immer wieder aufrappeln, und es muss allen, die in einem Bewerbungsprozess unsachlich und sogar persönlich angegrifffen werden, klar sein, dass Leute, die so mit anderen umgehen, tatsächlich selbst ein Problem haben. Und dass es ihnen oft auch gefällt, ihre momentane Machtposition auszuspielen, dh. “ein Spiel zu spielen”.
        Manchen Bewerbern/innen hilft es, wenn sie selbst so eine Haltung entwickeln, dass das Bewerbern auch für sie ein Spiel ist, sie also eine gewisse innere Distanz dazu entwickeln.

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