Kategorien

Vorsicht, ein Getränk! Realsatire im Vorstellungsgespräch

Veröffentlicht: 11. April 2014Kategorien: Human Ressources
getraenk_office

MS Office

Stellen Sie sich vor, Sie sind zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Und dann bietet man Ihnen etwas zu Trinken an. Sie nehmen an. “Ha, Fehler”, feixt Ihr Gegenüber – schon sind Sie raus. Wie das? Der Personaler hat gerade in einem Personalhandbuch für Einsteiger diesen heißen Trick gelesen. Ganz große Sache. Und natürlich: größtmöglicher Unsinn. Unprofessionelle Personaler (oder Fachentscheider, die sich etwas angelesen haben), sind gefährliches Glatteis für Sie. Denn es kann sein, dass Sie aufgrund eines unsinnigen Auswahlkriteriums eine Absage bekommen.

Wie Sie sonst noch erkennen, dass Sie es mit einem Gesprächspartner zu tun haben, dessen Wissen sich auf dem Niveau eines blutigen Anfängers und darunter bewegt:

  1. Man lädt sie Abends zum Essen ein und sagt „ha, erwischt“, wenn Sie wie Ihre Gesprächspartner auch ein Bier bestellen.
  2. Der Redeanteil Ihres Gesprächspartners liegt bei über 90%- und es macht ihm oder ihr sichtlich Spaß, dass Sie brav zuhören. Daraus schließt er, dass Sie ein guter Mitarbeiter sind. Toll gemacht – aber ob Sie mit DIESEM Chef auf Dauer klarkommen?
  3. Der Gesprächspartner hat „Personalmanagement für Einsteiger“ im Regal stehen. Außerdem hat er eine Loseblattsammlung abonniert, aus der er Ihnen beim Gespräch die Frage mit den Stärken und Schwächen vorliest.
  4. Man stellt Ihnen merkwürdige Fragen wie „wenn Sie 100.000 EUR gewinnen würden, was tun Sie damit?“ Natürlich ist die Antwort zu nichts außer Tonne zu gebrauchen. Die psychologische Bedeutsamkeit bewegt sich auf dem Niveau einer Mimikanalyse von Putin. Aber selbst sowas schafft es ja bis ins Fernsehen.
  5. Man macht mit Ihnen seltsame Tests. So sollen Sie Formen auswählen, Ihr Lieblingstier nennen oder die Zahl von Katzen in Hamburger Vororten schätzen.
  6. Ach Sie sind Jurist? Ist dem Personaler nicht aufgefallen, er dachte sie seien Informatiker, weil da was von HTML unter Sonstiges steht.
  7. Schon nach 45 Minuten klopft Ihnen der Entscheider auf die Schulter und sagt: Sie sind die richtige für uns! Für was genau eigentlich ist Ihnen bis dahin nicht annähernd klar.
  8. Im Gespräch schaut man Sie bedeutungsschwanger an als man Ihre Drei in Mathematik beklagt, die Sie vor 20 Jahren im Abitur hatten. “Mit Rechnen haben Sie es ja nicht so”, sagt man und schließt daraus, dass Sie Ihr BWL-Studium ja wohl nur durch Zufall geschafft haben.
  9. Für das Gespräch sollen Sie ein 40seitiges Marketingkonzept erstellen, was selbstverständlich in den Besitz der Firma übergeht, wenn sie es vorstellen. Die üblichen Urheberrechte behalte man sich vor.

Das war jetzt scheinbar scherzhaft, aber: alles schon erlebt. Was tun in so einem Fall? Wollen Sie den Job wirklich haben, beißen Sie sich auf die Zunge. Schicken Sie mir Ihre Erlebnisse oder posten Sie sie hier im Blog. Sonst: Sagen, was Sie denken – was soll der Blödsinn!

 

Beitrag teilen:

Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

4 Kommentare

  1. Helge Weinberg 11. April 2014 at 20:34 - Antworten

    Hallo Frau Hofert,
    das mit dem Marketing-Konzept habe ich schon mehrfach erlebt. Und den Chef, der nach einer Stunde Monolog begeistert beschlossen hatte, dass ich definitiv der richtige Mitarbeiter bin, den hatte ich auch einige Zeit. Was soll ich sagen – es hat auf die Dauer nicht geklappt. Dieser Typus kommt häufiger vor. Das sind die Chefs, die sich immer beklagen, dass sie (a) nie die richtigen Leute finden würden und/oder (b) Mitarbeiter xy sie schwer enttäuscht hat. Die Wahrheit: Deren Leben besteht aus Enttäuschungen über die unfähigen Mitarbeiter, weshalb sie am liebsten alles selber machen. 😉

    Sie haben die Personaler-Fraktion nicht erwähnt, die eigentlich gar keine Vorstellung haben, wen sie eigentlich suchen und ein sehr diffuses Jobprofil vor Augen haben, wenn überhaupt. Was leider nicht immer direkt im Vorstellungsgespräch zu erkennen ist. Oder die Spezialisten für Stress-Interviews, die ich zum Glück nur zweimal erleben durfte.

    Herzliche Grüße, Helge Weinberg

  2. Chris Pyak 12. April 2014 at 11:34 - Antworten

    Sehr schöner Artikel. Ich habe gelacht -auch wenn es eigentlich nur bitter ist.

    Manchmal kommt dass “fremdschämen” schon vor dem ersten Gespräch: Eine Kandidatin von mir wurde abgelehnt weil die Personalerin die ausländische Universität nicht kannte – und deshalb nicht bewerten konnte. Es handelte sich um Cambridge…

  3. Natalie Schnack 12. April 2014 at 15:20 - Antworten

    Hallo Svenja,

    ganz frische Grusel-Story aus dem traumatisierenden Erlebnis einer Kundin: Bewerbung bei einem der namhaftesten deutschen Autohersteller auf eine ausgeschriebene Stelle in der Entwicklung. Die Anforderungen an die Bewerbung und Selbstpräsentation im Bewerbungsgespräch sind sehr hoch und werden klar kommuniziert: keine Standartbewerbung, man solle sich etwas Besonderes einfallen lassen usw. Meine Kundin macht sich eine unglaubliche Arbeit, gemeinsam erstellen wir eine Tel Selbstpräsentation mit klarem Bezug zur Stelle inkl. eines richtigen Konzeptes, wie sie die Aufgabe angehen würde – kurz, knackig, sehr aussagekräftig – eine richtig runde Sache.
    Im Bewerbungsgespräch wird sie von der Personalerin nur durch den Lebenslauf “gejagt”, bis zum Kindergartenalter, obwohl man ihr davor schon mitgeteilt hatte, dass weniger Zeit als geplant zur Verfügung steht. Als meine Kundin dann endlich die Gelegenheit bekommt, sich selbst und das Kurzkonzept vorzustellen (geplant ca. 5-6 Minuten), entgegnet der Fachverantwortliche, sie solle sich nicht auf die ausgeschriebene Stelle beziehen, die gebe es sowieso nicht (oder nicht mehr). Es gebe ggf. etwas anderes, das er kryptisch kurz anreißt, sie solle sich eben auf diese andere Stelle beziehen. Auf Nachfragen zu den genauen Aufgaben wird nur genervt reagiert. Personalerin und der Fachverantwortlicher haben sich gerade im Bewerbungsgespräch kennengelernt und sind sich auch nicht ganz grün. Die Bewerberin ist am Ende total verunsichert. Dann wird ihr noch eiskalt gesagt: “Schluß, Sie finden selbst hinaus. Wiedersehen.”
    Die Frau ist echt traumatisiert und sucht die Fehler bei sich, da ihr natürlich unter diesen Umständen nicht alles eingefallen ist, was sie noch hätte sagen können, um sich auf die ihr servierte Stelle zu beziehen. Es waren 2 Stunden Coaching nötig, um sie daraus zu holen und die Sache so weit zu verarbeiten.

    Ich finde es einfach unglaublich, wie groß teilweise die Schere zwischen dem gepflegten Image des Unternehmens (hier Premium hoch 3), der daraus resultierenden Anspruchshaltung gegenüber den Bewerbern und auf der anderen Seite absolute Unprofessionalität gepaart mit einer unfassbaren Ignoranz, ist!

  4. Michael Mosmann 16. April 2014 at 8:07 - Antworten

    Was man sich immer fragen sollte: Möchte ich in einem Unternehmen arbeiten, wo schon das Bewerbungsgespräch unangenehm war? Im Zweifel ist das der beste Indikator um den ausgeschriebenen Job nicht zu nehmen.

    Wenn man den Job trotzdem haben möchte und dann leider eine Absage bekommt, kann man sich ja schon damit beschäftigen, ob man vielleicht etwas hätte besser machen können. Aber die Zielrichtung sollte eine andere sein. Die Frage sollte lauten: “Kann ich beim nächsten Mal etwas besser machen? Habe ich die Fähigkeiten und die Möglichkeiten?” Ich denke oft, dass die Antwort auf die Fragen oft “Ich habe die Fähigkeiten, aber ich habe nicht die Möglichkeiten im Bewerbungsgespräch diese Fähigkeiten besser zu vermitteln.” Und das ist gut. Denn die Mittel in so einem Gespräch sind sehr limitiert. Jede Seite hofft, dass sie durch dieses Gespräch jeden Fehler ausschließt. Und dieser Anspruch treibt dann solche Blüten (komische Fragen, Spielchen, etc..). Und das sollte man auch genau so werten: als Spiel ohne jede Aussagekraft. Wenn man so eine Aufgabe “vermasselt”, sagt das in den seltensten Fällen etwas über mich als Person aus.

    Was ich selten erlebt habe, war ein echtes Interesse an der Person. Da wird nicht versucht, herauszufinden, ob man als Mensch zueinander passt und verschenkt so die Möglichkeit, gute Kandidaten für eine Aufgabe zu finden.

    Ein Bewerbungsgespräch ist für den Arbeitssuchenden eine Möglichkeit zu sehen, wie ein Unternehmen glaubt, sich gegenüber einem Kandidaten präsentieren zu müssen. Wenn man es aus dieser Persepktive betrachtet, sollte man so ein Gespräch sehr aufmerksam verfolgen. Wenn der Job von beiden Seiten passt, wird sich das dann auch einstellen. Wenn nicht, dann gab es gute Gründe und es ist sicher besser so, gerade für den Bewerber.

Einen Kommentar verfassen