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Stellenanzeigen und falsch verstandenes Employer Branding: Liebe Unternehmen, lasst die Duzerei!

Veröffentlicht: 20. November 2013Kategorien: Human Ressources

Als Henner Knabenreich an die goldene Runkelrübe erinnerte, machte es Klick: Lauter schlechte Anzeigen rollten wie ein Film vor meinem inneren Auge – hätte ich die doch mal gesammelt, um Sie Ihnen zu zeigen! Das habe ich für dieses Jahr versäumt: Aber, was eine Stellenanzeige eigentlich schlecht macht – für mich klarer Fall. Hier ist sie, meine individuelle Worst-Five:

  1. Anbiedernde Du-Ansprache

du„Du bist, du hast, du kannst…“ Was die Texter damit anrichten ist ihnen sicher gar nicht bewusst! Bewerber stellen diese Anzeigen vor wirklich  fiese Herausforderungen. Ich habe noch nicht einen gesehen, der locker sagte „klar, dann schreibe ich auch Du“. Vielen bereitet die richtige Ansprache geradezu schlaflose Nächte. Und nur wenige rangen sich am Ende zum Du durch – auch wenn ich manchmal dazu ermutige. Die Widerstände sind sehr stark.

du2Warum der Seelenkrampf? Alle stellen sich die Frage: Ist das nun ernst gemeint oder nicht? Die Entscheidung “Kampagnen-Du” oder echtes Du ist in der Tat nicht leicht zu treffen, da die Duz-Kultur längst die Startup-Szene verlassen hat. Und bei einem Versicherungs- oder Telekommunikationsunternehmen fragt man sich erst recht… Werbe-Fake oder echt?

Mit dem Anzeigen-Du hört es noch nicht auf! Einer meiner Kunden wurde letzte Woche von einer seriösen Firma per Du zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Das hat ihn ganz schon irritiert. Soll er den Termin jetzt an „Du“ bestätigen? Das alles löst Unwohlsein aus . Nein, eh Sie jetzt denken, das sind alles “alte” Leute – stimmt nicht. Mein Sohn findet die Leute ätzend, die ungefragt “du” sagen. Und in diesem Alter sind Kinder Trendbarometer (ich wusste von Snapchat lange bevor die Medien darüber berichteten). Für Spiral Dynamics-Fans: das könnte das nächste Level nach dem Türkisen sein, das hier langsam hochzielt und allzu viel Eh-Du-Tüddelei den Garaus macht.

Für alle anderen: Das kumpelhafte Geduze ist falsch verstandenes Employer Branding.

2. Pseudowelten wie im Kino

Natur und Idylle pur: Immer wenn mein Sohn seine Leberwurst aufmacht, lächeln ihn diese zwei Herren von Rügenwälder auf satten Wiesen vor einer Mühle an und wollen sich ihm als Arbeitgeber anbieten. (Nein, das Kind wird nicht Metzger, auf gar keinen Fall!) Das signalisiert die pure Naturfreude  und konfrontiert uns schon am Frühstückstisch mit Arbeitsmarkt und Demografiewandel. Wenn ein Claus Hipp sich auf die Wiese stellt, okay – aber ein Wurstproduzent?

Nach dem Blick auf die Website muss ich allerdings zugeben: Rügenwälder sind nicht gar so schlecht: Im Internet ist die Umsetzung zumindest konsistent, das schaffen sonst selbst große Unternehmen nicht. Wenn wirklich ein Fürsorgeunternehmen dahinter steckt, wie impliziert – passend. Dann wird man aber bei derzeit 400 Leutchen außer ein paar Auszubildenden in den nächsten Jahren nicht wirklich viel Personal brauchen. … Was soll dann die Kampagne auf der Wurst?

Merke: Employer Branding ist die neue Werbung! Man redet nicht mehr über 10% weniger Fett, sondern über tolle Arbeitsplätze. Heißt auch: Manche Jobofferten sind Show. Das finden Bewerber, die diese ernst nehmen, bestimmt nicht gut.

3. Diskriminierung schon in der Anzeige

Die hübsche, mit rotem Hemdchen gar karg bekleidete Blondine in der Ergo-Anzeige der Runkelrüben-Auswahl wird mir bald meinen Kaffee bringen? Wow, klar, wo sind meine Bewerbungsunterlagen? Das bringt den sachlichsten Mathematiker auf Zack! Einfach clever, Ergo! So umgeht man geschickt das Allgemeine Gleichstellungsgesetz AGG. „Spreche Männer subtil an“, dann merkt es keiner. Ach: Waren die von Ergo nicht die, die…?

Klarerer Fall von AGG-Verletzung, wenn jemand per Anzeige „Schüler, Studenten und HausFRAUEN“ sucht.  Wieso steht da nicht „Hausmann“ oder “Hausmensch m/w”? Es gibt viele Formen der Diskriminierung, die Altersdiskriminierung fällt mir auch noch ein. Wenn da steht „junges dynamisches Team“, dann ist das oft als dezenter Hinweis gedacht – Ü30 = bei uns nicht.

diskriminierung4. Lausige Werbetexte

Bei der Runkelrübe ist die „erfrischende Karriere“ nominiert.  Es gibt unzählige solcher Beispiele. Manchen Anzeigen liest man einfach an, das sie aus der Feder von jemand stammen, der seine Worte nicht lange gewägt hat und der höchstwahrscheinlich nicht bei Jung von Matt sitzt (das war ein Kompliment). Seltsam bemühte Texte, die ungewollt zwischen den Zeilen sprechen, können sympathisch sein, aber auch ganz schön Einsteiger-mäßig rüber kommen.

Schlimm auch, wenn jemand etwas werberisch formulieren will, aber der Aussagegehalt liegt bei Minus 10. Siehe unten.

softwareunterstuetzung

5. Anforderungen, die keine sind

Was suchen die denn nun? Manche schreiben so allgemein, dass sich jeder wiederfindet. Das ist mindestens so problematisch wie zu speziell (“Bewerbungen ausschließlich von Sozialpädagogen/innen mit Einser-Diplom”). Das schrägste was ich erlebt habe: Eine Firma lud abgesagte Bewerber ein, weil sie sich doch ganz andere Anforderungen überlegt hatten. Dieses Phänomen wird selten so konsequent umgesetzt, ist aber absolut verbreitet. Frei nach dem Motto. Schauen, was kommt – und texten was uns grad einfällt. Je allgemeiner, desto mehr Bewerbungen. Ist doch gut(denken sie).

Ein anderer Dreh: Es wird gesucht, was alle suchen.

So wirft dpa die Angel nach Volontären neuerdings unter Mediziner und Mathematikern aus – mit der Formulierung “bevorzugt werden”.  Möglicherweise hat jemand den Verantwortlichen den Floh ins Ohr gesetzt, dass Techies und Naturwissenschaftler divergenter denken (Unsinn, siehe mein Interessen-Artikel) oder es geht darum, dass alle immer das haben wollen, das alle anderen auch haben wollen. Es könnte auch vermutet werden, dass der IQ von Absolventen solcher Fächer höher ist. Oder dass diese technik- und damit zukunftsnäher sind. Was auch immer: Diese Ausrichtung ist trotz Relativierung reichlich unkreativ und NICHT divergent. Suche ich ernsthaft jemand mit divergentem Denken (Vorsicht, solche Leute sind anstrengend) hätte ich etwas in dieser Richtung geschrieben:

“Wir freuen uns auf Bewerbungen von Menschen, die neu und anders denken. Es ist uns dabei gleich, ob Sie ein naturwissenschaftliches Studium, Germanistik oder Abfallwirtschaft studiert haben. Wichtig ist, dass Sie das Internet lieben, auch neben Ausbildung/Studium etwas auf die Beine gestellt haben und das Zeug mitbringen, gemeinsam mit uns die Zukunft der Medien zu gestalten.”

Anderes Beispiel: Da werden Anforderungen gestellt, die wenig mit dem Job zu tun haben. Nehmen wir folgenden Senior-CSR-Berater. Der soll auch Vertrieb und Akquise machen? Oho, da würde ich jedem echten Profi raten “Finger weg”. Und den Unternehmen: Betreiben Sie keinen Etikettenschwindel mit Titeln und Bezeichnungen, die Bewerberqualität wird dadurch nur sinken.

csr

PS.: Fehler im Text

Gut, ich lehne mich jetzt aus dem Fenster, weil ich hier im Blog auf einen Lektor verzichte und deshalb eine Menge Fehler mache, die ich aber dank all der netten Kommentare ruckzuck korrigiere (danke dafür, so kann dieser Blog werbefrei bleiben), aber in einer veröffentlichten Anzeige finde ich das dann doch peinlich. Da sollte man schon in einen Lektor investieren.

fehler

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

3 Kommentare

  1. Henner Knabenreich 20. November 2013 at 11:21 - Antworten

    Danke für diesen wunderbaren Artikel, der das ausdrückt, was wohl viele Bewerber denken. Auch ich war schon mal in dieser Du-Situation. Ich hab mir gedacht, wenn die einen schon duzen in der Stellenanzeige, dann mache ich das auch. Die Einladung war dann förmlich per Sie adressiert, im Gespräch wurde auch gesiezt. Fand ich wenig glaubwürdig. Wie so vieles andere auch, was einem da als Bewerber über den Weg läuft.

    Aber das kann man ja jetzt ein wenig ändern. Nämlich in dem man Jurymitglied bei der Goldenen Runkelrübe wird. Wie das geht?

    Unter pfuipfuipfui@goldene-runkelruebe.de anmelden. Betreffzeile: Jury/Runkelrübe/Kategorie (Unternehmensvertreter (z. B. Personalabteilung), Dienstleister (z. B. Headhunter oder Employer Branding Berater) oder Bewerber (Studenten, Azubis, Young Professionals, die auf der Suche sind).
    Auf http://www.goldene-runkelruebe.de gehen, sich köstlich über das Personalmarketing von verschiedenen Arbeitgebern amüsieren oder fremdschämen und die persönlichen Favoriten auswählen (einfach die entsprechende Nummer mit Kürzel merken).
    Am 25.11.gibt’s dann den Link für die Online-Abstimmung zugesandt. That’s all! Und für alle, die am 4. Dezember in Berlin sind: Da wird die Trophäe in würdigem Rahmen überreicht!

    Also nicht zögern, gleich anmelden!

  2. Daniel 10. September 2014 at 8:16 - Antworten

    Interessant – ist denn ein “Du” grundsätzlich und immer schlecht?

    Ich selber finde “einfach duzen” insbesondere im geschäftlichen Bereich oft unpassend, habe das “Du” aber im Text für unsere letzte Stellenanzeige (Grafikdesigner) sehr bewusst trotzdem gewählt. Nicht, weil ich junge Bewerber suche, oder “Hip” sein möchte – sondern weil ich einen Text wollte, der sich vom Einheitsbrei abhebt. Wir sind nun einmal anders als andere Unternehmen. Da darf unter den Bewerbern gerne auch mal ein Risk-Taker sein, jemand, der eine ungewöhnliche Bewerbung schreibt, ein Berufsanfänger, Quereinsteiger, oder jemand mit einem sehr unkonventionellen Lebenslauf.

    Wenn meine Kommunikation konsequent und vollständig ist, finde ich das Duzen in Ordnung. Dann muss ich allerdings auch sofort zu jeder Bewerbung eine Eingangsbestätigung (“Liebe/r Vorname”) verschicken, diese darf nicht automatisiert aussehen – also ggf. die Textvorlage anpassen – und bevor der Bewerber / die Bewerberin sein / ihr Namensschild für das Vorstellungsgespräch beschriftet, sollte er/sie darauf hingewiesen werden, dass ihm/ihr frei steht, was er/sie darauf schreibt. Und selbstverständlich müssen wir unsere Kommunikation mit dem Vornamen unterschreiben, uns beim Anruf des Bewerbers mit dem Vornamen vorstellen, etc.

    Das war schon ein Experiment, – aber wir haben zu unseren Schreiben, zu unserer Kommunikation, und insbesondere dazu, dass wir auch wirklich jedem geantwortet haben, außerordentlich gutes Feedback erhalten. Das hatte ich bei Standard-Ausschreibungen noch nie.

    Gibt es auch andere gute Erfahrungen zum “du” in Recruitingprozessen?

    • Svenja Hofert 10. September 2014 at 10:00 - Antworten

      ich sehe, dass diese Du-Sie-Divergenz Leute nervös und unsicher macht. Und das weil es besser aussieht. Verstehe ich nicht, das ist doch unehrlich. Entweder konsequent oder nicht. Aber ein Show-Du sollte man sich sparen. LG Svenja

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