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Verändern Sie Ihr Leben! Leicht gesagt…Wie es doch gehen könnte

Veröffentlicht: 28. Dezember 2013Kategorien: Karriere und Beruf, Psychologie

Im nächsten Jahr wird alles besser! Ich ändere meine Gewohnheiten! Werde ein besserer Mensch! Zum Jahreswechsel kommt immer wieder dasselbe Thema auf: Veränderung. Doch ist Veränderung überhaupt möglich? Kann der Mensch ein anderer werden, kann ICH mich ändern? Und wenn ja: Wie geht dieses Kunststück?

Mihail Chordowkowski kam anscheinend unverändert nach 10 Jahren aus russischer Haft, und ich denke nicht, dass russische Gefängnisse Luxushotels sind. So stolz, selbstbewusst und eloquent wie er hineingegangen war, trat er auch wieder heraus. Die beiden Ladies von Pussy Riot scheinen alles andere als gebrochen, obwohl auch ihnen vermutlich nicht allzu viel Angenehmes passiert ist. Ein Aufenthalt im Gefängnis sollte doch als Einschnitt gelten können, als etwas, das Persönlichkeit verändern kann. Oder etwa nicht?

Alltagspsychologisch gibt es wie immer zwei genau gegensätzliche Positionen. Oft hört man „danach war er/sie nicht mehr dieselbe.“ Aber genauso häufig: „Er/sie hat sich nicht verändert.“ Das ist bei allen alltagspsychologischen Schlüssen so, und die Erkenntnis, die wir daraus ziehen können, ist einfach: Alles stimmt, und nichts davon ist richtig. Oder auch: Für jedes Beispiel werden sich Belege und Gegenbelege finden lassen.

Was bedeutet das für Veränderung?

Einschneidende Erlebnisse helfen sehr

Es muss schon was passieren. Neujahr ist nicht einschneidend genug, eine wirklich fundamentale Veränderung auszulösen. Wir müssen uns schon, wie Sylvie Meis, formerly known as van der Vaart von unserem Partner trennen, damit etwas passiert, das mehr ist als ein einmaliges Lippenbekenntnis à la „ab sofort mache ich jeden Tag eine Stunde Sport“. Aber eine Veränderungsgarantie ist das nicht. Jedenfalls scheint mir Frau Meis nach ihrer Trennung nicht wesentlich anders geworden zu sein.

Lerne: Einschneidende Erlebnisse können uns verändern, müssen aber nicht. Bezogen auf Veränderungswünsche zu Neujahr: Es wäre gut, wenn uns etwas passiert, das sonst nicht passiert. Das könnte ein besserer Rahmen für unser Vorhaben sein. Vielleicht sollten wir den Jahreswechsel einsam am Strand erleben. Oder irgendetwas tun, was wir sonst nicht machen. Aber es kann sehr gut sein, dass wir danach trotzdem noch dieselben sind.  Wenn Sie mir jetzt mit dieser SMART-Formel kommen, schicke ich Sie in die Südsee… Natürlich hilft Konkretisierung des Zieles. Aber a.) nicht jedem und b.) nicht immer und c.) ist unser Leben nun mal nicht mit Projektmanagement-Tools organisierbar.

Wir werden immer mehr Ich

Sylvie Meis bleibt van der Vaart. Ich bleibe ich. Und Sie vermutlich Sie. Persönlichkeitseigenschaften stabilisieren sich von Jahr zu Jahr: Ab 8 Jahren bleibt der IQ weitgehend stabil, man wird einfach nicht mehr schlauer (dümmer aber auch nicht). Bis zum Alter von 50 Jahren werden auch die Persönlichkeitseigenschaften nach Big Five immer stabiler.  Das ist ein schleichender Prozess. Ich hätte mich mal für ziemlich extravertiert gehalten, aber inzwischen liebe ich es, viel für mich allein zu sein.  Wann wurde ich so? Es war ein schleichender Prozess.

Damit stehe ich nicht allein da. Extravertiertheit nimmt normalerweise mit dem Alter ab, Gewissenhaftigkeit nimmt zu. Auch das stelle ich bei mir fest. Nachlässigkeit und Unordentlichkeit geht mir mehr und mehr gegen den Strich, auch wenn es mir selbst schwerfällt, Ordnung zu halten. Ich war immer schon eher ausgeglichen, aber auch die Gelassenheit nimmt zu. Mich regt wenig auf. Dahinter steckt ein nicht besonders ausgeprägter Neurotizismus. Auch hier bin ich typisch: Neurotizismus sinkt ab 30 Jahren. Grund sind zum Beispiel stabile Liebesbeziehungen und ein auch dadurch allgemein ruhigeres Leben.

Veränderung der persönlichen Eigenschaften ist also nicht nur möglich, sondern normal. Nur passiert sie schleichend und nicht von heute auf morgen. Was die Ursache ist, weiß man nicht. Was der Umwelt zuzuschreiben ist und was Anlage ist, bleibt ebenso fraglich. Hier Prozentzahlen anzugeben ist nicht seriös, denn alles hängt miteinander zusammen: es ist eine Genom-Umweltkorrelation. Aufgrund seiner Gene sucht und schafft sich der Mensch ein Umfeld. Adoptierte Kinder werden ihren Eltern im Laufe des Lebens immer unähnlicher. Ich habe in der Verwandtschaft zwei Adoptivgeschwister vor Augen, die das ganz eindrücklich bestätigen. Aber auch hier: schleichende Prozesse.

Kann man diese Prozesse bewusst anstoßen? Kann also ein sehr unordentlicher Mensch plötzlich sehr ordentlich werden? Ein sehr  unbekümmerter ernsthaft? Für gewöhnlich sind es Schlüsselerlebnisse, die radikale Änderungen herbeiführen. Ein Unfall. Eine Krankheit. Ein Verlust. Aber wenn man ganz genau hinsieht, erkennt man, dass die Menschen auch danach nicht ganz anders sind. Mir fällt dazu Jürgen Todenhöfer ein, der sein Leben öfter scheinbar ganz neu ausgerichtet und sich selbst transformiert hat: ehemals rechtsgerichteter Politiker und Kriegsbefürworter, dann Vorstandsvorsitzender von Burda, heute Autor und Kriegsgegner. Wie kann das sein? So unterschiedliche Positionen? Aber schauen Sie sich nur die Eigenschaften an, die dieser Mann in alle diesen Positionen gezeigt hat: Eigene Haltung (Nonkonformismus), divergentes Denken (im Big Five ist das die hohe Offenheit für neue Erfahrungen sowie eine niedrige Verträglichkeit), Extravertiertheit und hohe Leistungsorientierung (Gewissenhaftigkeit). Nur das Thema wechselte. Der Mensch blieb gleich. Das erklärt auch, warum erfolgreiche Menschen oft in jedem politischen System und zur Not auch in einer Subkultur ihren Weg machen – hier als Widerstandskämpfer und dort vielleicht als Diktator. Die Eigenschaften, die zum einen wie zum anderen führen, sind gar nicht so verschieden wie es scheint.

Dabei hilft auch die individuelle Art und Weise, wie man mit Schicksalsschlägen umgeht, der persönliche Bewältigungsstil. Ein sehr optimistischer, frohsinniger, niedrig neurotischer Mensch wird anders mit einem Schicksalsschlag umgehen als ein pessimistischer und melancholischer. Entscheidend ist vor allem auch, ob man sich selbst als verantwortlich für sein Leben erlebt oder andere und das „Leben“ im Allgemeinen und Speziellen  verantwortlich für eigenes Ungemach macht.  Man nennt das auch handlungs- und lageorientiert. Die Handlungsorientierten sagen: Ja, das ist sinnvoll, also mache ich es. Die Lageorientieren jammern: Das bringt alles nichts. Oder: Das geht nicht. Oder: Bei mir hat sowas noch nie funktioniert. Oder: Ich unternehme nur etwas, wenn ich weiß, dass dadurch auch eintritt, was ich möchte.

Man sieht es auch daran, wie unterschiedlich Menschen mit den Ergebnissen einer Beratung umgehen. Da gibt es die, die mir in einer Weihnachtskarte „Vollzug“ melden. Geplant, gemacht, umgesetzt. Und die, die drei Jahre brauchen, um ein an sich überschaubares Ziel zu erreichen. Aber auch die, die den Umständen die Schuld geben und gar nicht erst losgehen. Als handlungsorientierter Mensch habe ich eine Idee, prüfe sie und realisiere sie. Ich stelle fest, ein Weg ist falsch, und ich ändere ihn. Aber Handlungsorientiert zu sein allein ist auch kein allein selig machenden Rezept.  Ich bin sicher eher handlungsorientiert, aber nicht generell und in allen Lebensbereichen. Zum Beispiel wünsche ich mir, ökologisch verantwortlicher zu leben und sinnvollere Dinge zu tun. Mir scheint mein Job bisweilen profan. Vielleicht sollte ich dafür ein Jahr weit weg gehen? Tatsächlich hatte mich mal die Idee, ein Praktikum in einem arabischen  Land zu machen, um die Unterschiede in der Arbeitswelt wirklich an eigener Haut zu spüren. Ein Bekannter hat sich auch dafür eingesetzt, doch die Personalabteilung wollte nicht mitspielen. Überqualifiziert. Eine Frau. Nicht mal Buchhaltung kam in Frage. Da habe ich mein Vorhaben fallen lassen. Hätte ich wirklich gewollt, ich hätte es trotzdem geschafft.

Verändern Sie das Umfeld und Sie verändern sich selbst

Die Veränderung der Umgebung kann eine Menge Veränderung im Inneren bewirken. In Afghanistan wäre ich eine andere.  Ich weiß nicht, welche. Aber eine andere. Ich habe über Weihnachten mit einem Bekannten über das Leben im Ausland gesprochen, Anfang des Jahres kommt dieses Interview in diesen Blog. Das Leben in einer ganz anderen Kultur ändert dich von Grund auf, sagen viele. Die Rolle, die du in Gruppen hast, dein Auftreten, alles. Dies vor allem, wenn du keine herausgehobene Stellung hast und z.B. abgeschirmt unter Deinesgleichen lebst. Im Radio habe ich einen Bericht über einen katholischen Priester gehört, der in den Slums gelebt hat, mit allen Konsequenzen für Sauberkeit, Ernährung, aber auch zwischenmenschliches Verhalten. Er wurde dadurch anders.

Lerne: Wenn man sich wirklich verändern will, muss man raus aus seinem gewohnten Umfeld. Heißt auch: Es ist konsequenter, den Job zu kündigen. Es ist folgerichtiger, gleich umzuziehen. Nur kommt so ein konsequentes Handeln der menschlichen Natur nicht entgegen. Die neigt zum Verharren.

Was heißt all das für unsere Veränderungsvorhaben?

Entweder Sie freunden sich mit winzig kleinen Schritten an, oder Sie führen einen radikalen Tapetenwechsel herbei. Ein Jahr allein Segeln, im Dschungel, Leben in einem ganz anderen Land (und nicht in Hotels). Ein Jahr außerhalb unserer gewohnten Bezugsgruppe und weg von all dem, was uns bestätigt, das wir sind wie wir sind. Vielleicht auch zwei. Drei Jahre. Je länger, desto deutlicher wird Veränderung sein. Wobei wir trotzdem bleiben, wer wir sind. Siehe Todenhöfer. Aber möglich, dass wir vom Kriegsbefürworter zum Kriegsgegner, vom Ökosünder zum Ökokämpfer werden. Dass wir unsere Persönlichkeit also umdeuten, Eigenschaften neu und anders belegen, Energien anders nutzen.

Die andere Alternative sind kleine Schritte, eine Art Microchange. Man kann sich hier gut am „Shaping“ orientieren. Das ist eine Lernmethode, bei der man sich oder einen anderen Menschen nach und nach an das gewünschte Verhalten heranführt – mit zur Not auch winzig kleinen Schritten. Das ist das, was wir beispielsweise in der Kompetenzentwicklung tun – einen individuellen Trainingsplan aufstellen mit unmittelbaren Feedback.

Der Haken an den kleinen Schritten ist, dass wir nicht merken, dass wir sie gegangen sind.  Wir ärgern uns nur die ganze Zeit, dass wir immer noch nicht da sind wo wir so gerne wären.

Da hilft nur eins: Aufschreiben, aufmalen, visualisieren. Oder zu einem Berater/Coach gehen, der alles dokumentiert. „Vor zwei Jahren haben Sie XY gewollt, jetzt sind Sie genau da.“ – „Echt?“ – „Hier steht es.“

Zu diesem Thema empfehlen wir unseren Selbstlernkurs „Verändern Sie Ihr Leben.“

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

2 Kommentare

  1. […] Hofert schrieb gerade hier zur […]

  2. Bettina 17. Mai 2020 at 23:39 - Antworten

    Hallo liebe Svenja,

    Ein sehr interessanter Artikel darüber, wie man sein Leben verändert. Der Text ist gut strukturiert, spannend und hilfreich zugleich. Besonders interessant finde ich den Ansatz: Verändere dein Umfeld und verändere dich selbst. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass dies auf jeden Fall zutrifft. Unser Umfeld hat einen sehr großen Einfluss auf uns und somit auch auf unsere Entwicklung.

    Vielen Dank für den Artikel und liebe Grüße
    Bettina

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