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Geben und Nehmen: Warum Sie als gutwilliger Geber viel erfolgreicher sein können (Rezension)

Veröffentlicht: 27. April 2014Kategorien: Psychologie

„Ich möchte Sie als Dank für Ihre vielen hilfreichen Beiträge auf etwas hinweisen“, schrieb mir jemand letzte Woche. Es folgte ein selbstloser Tipp, den ich sicher beherzigen werde. Eine besonders clevere Form der Akquise? Hintergedanken? Offensichtlich nicht. Der Schreiber war ein Geber. Gerade deshalb werde ich mir ihn merken und „abspeichern“. Ganz anders als die Nehmer  und Tauscher, die sich ständig mit Pseudo-Win-Win-Vorschlägen anpirschen, nach Tipps suchen und bei einem Gehalt von 150.000 Euro nach Rabatten fragen.

grafikenGeber sind nach Wharton-Professor Adam Grant selbstlose, also altruistische Menschen, die gerne helfen und keine Gegenleistung dafür wollen. Über diese Menschen hat Grant mit „Geben und Nehmen“ (Give and Take) ein gut lesbares Buch geschrieben. Er tritt den Beweis an, dass gebefreudige Persönlichkeiten letztendlich erfolgreicher sind.  Natürlich schreibt er aus der Perspektive eines Gebers.

Dazu setzt er in verschiedenen Richtungen zur Beweisführung an: So hat er mit Kollegen in einem wissenschaftlichen Experiment den Erfolg von Optikern beim Verkauf analysiert. Die besten mit den höchsten Umsätzen, so das Fazit, waren Geber. Diese Geber wollten ihren Kunden wirklich helfen und verstanden sich mehr als medizinische Berater denn als Verkäufer. Ein anderes Exempel dreht sich um den introvertierten Adam Rifkin, den besten Netzwerker der Welt, der durch sein ständiges Geben lauter „Schläfer“ in seinem Umfeld hat, die jederzeit etwas für ihn tun würden (weil er auch immer bereit ist, etwas für sie zu tun). Auch Rifkin hat sein Netzwerk nicht aus Berechnung aufgebaut; er hat Freude am Geben. Nehmer würden das nicht verstehen: Sie würden immer die Frage stellen „was habe ich davon?“

Machtlos reden macht sympathisch

Weiter geht es mit einem Beispiel, das Grant  aus seiner eigenen Erfahrung heraus gibt. In einem Vortrag vor machtvollen Marineoffizieren versuchte er sich anzupassen und mit machtvoller Kommunikation zu überzeugen – und wurde durch schlechte Bewertungen abgestraft. Erst als er in einem zweiten Vortrag seine authentische – nicht machtvolle – Kommunikation verwendete, wurde ihm begeistert zugehört, dabei waren die Kerninhalte exakt identisch. Lerne: Sei wie du bist, und wenn du nun mal kein machtvoller Haudegen bist, tu auch nicht so.  Dabei gibt Grant aber gleich selbst eine Einschränkung mit auf den Weg: Die machtlose Kommunikation in der Rede funktioniert nur, wenn jemand als Experte wirklich viel mehr weiß als die Zuhörer. Ein durchschnittlicher Experte würde sich lächerlich machen, dazu zitiert Grant Studien. Das kann man gut bei einigen Tedx-Rednern sehen: Gerade die Experten, die wirklich etwas zu sagen haben, nutzen oft eine alles andere als machtvolle Kommunikation, ja, sie sind sogar ein wenig tolpatschig – das funktioniert, weil es menschlich macht.

Machtlose Führer sind beliebt

MS Office

MS Office

Auch in der Führung können Geber sehr erfolgreich sein, denn sie binden andere ein, fragen viel und machen nicht nur Ansagen. Dass ist überall dort hilfreich, wo die Mitarbeiter selbst mitdenken können und wollen. Sie mögen es, wenn sie gefragt werden und in Entscheidungen einbezogen, wenn sie das Gefühl haben, die Führungskraft interessiert sich wirklich für Ideen und die Person an sich. Man merkt echtes Interesse an vielen Kleinigkeiten: daran, dass sich jemand an ein lange zurückliegendes Gespräch erinnert oder sich gemerkt hat, was einen bewegt. Das ist ein weiteres Kennzeichen von Gebern: Sie fragen mehr, als dass sie von sich erzählen. Während Nehmer einen 60minütigen-Monolog halten können, an dessen Ende der Nehmer das Gefühl hatte, ein „gutes Gespräch“ geführt zu haben, bevorzugt der Geber den Monolog oder sogar den zurückgenommenen und fragenden Gesprächsstil. 

Wissen zu geben ist nicht verschenkt

Einmal kam eine Seminarteilnehmerin auf mich zu und sagte: „Was an Ihnen so besonders ist, dass sie so offen sind und freimütig erzählen. Das ist ganz selten.“ Ich war überrascht; ich fand das nicht besonders. Kollegen rieten mir, vorsichtig zu sein: Das Metier eines Beraters sei es doch, sein Wissen geheim zu halten. Wenn ich weiter tue, was ich tue, würden andere mich aufholen. Ich habe immer geantwortet: Na, und? In dem Moment, wo mich jemand aufholt, bin ich schon woanders und beschäftige mich mit neuen Dingen. Ja, ich könnte die Dinge horten und für mich behalten. Das ist aber nicht, was mich antreibt. Ich freue mich, jemanden zu helfen. Es geht mir nicht um das Geld. Wenn ich das Gefühl habe, ein anderer Berater könne einem Kunden besser helfen, so sage ich das.

Ich mache allerdings dicht, wenn ich mich einem Nehmer gegenüber sehe. Dafür habe ich feine Antennen: Für Menschen, die nur geben, wenn sie etwas für sich herausholen wollen. Die sich mit mir verabreden, um Informationen zu ziehen oder in der stillen Hoffnung, ich könnte Türen öffnen. Das löst in mir Widerstände aus. Man merkt es schnell: an der Art des Auftritts, der Kommunikation, am Interesse oder Nicht-Interesse, das jemand an einem zeigt.

Das Ende des Zeitalters der Verkäufer?

Schön, ein Buch zu lesen, das bestätigt, was stets die eigene Überzeugung gewesen ist: Geber können langfristig sehr viel erfolgreicher sein. Die platten Verkäufer, die aggressiven Geschäftemacher mögen kurzfristig weiter kommen. Sie mögen den Markt besser aufrollen können – aber beackern können ihn Geber besser. Das Buch passt in einen gesamtgesellschaftlichen Trend, in dem das Unaufdringliche zurückkommt – siehe den Trend der Introvertierten. Es vollzieht sich ein Umdenken. Die Schnacker werden nicht mehr uneingeschränkt bewundert und als Leitfiguren angesehen und dargestellt, sondern sie erzeugen Misstrauen. Das Internet mit seinen Netzwerken macht das ganz besonders sichtbar: Dummdreiste Anfragen wie „ich möchte sie in mein Netzwerk aufnehmen“ werden von vielen auch als dummdreist empfunden. Das ist typische Nehmer-Ansprache. „Ich möchte sie in mein Netzwerk aufnehmen, damit wir voneinander profitieren“, ist Tauscher. Aber „vielleicht ergibt sich ja das eine oder andere, was ich für Sie tun kann“ – das ist Geber.

Nun aber zu den Risiken und Nebenwirkungen: Grant sagt auch, dass es nicht die selbstlosen Altruisten sind, die erfolgreich sind, sondern jene, die gleichzeitig auch an sich denken. Diese seien genauso ehrgeizig und leistungsorientiert wie es Nehmer und Tauscher sein können. Aber sie sind keine selbstlosen Esel. Diese Geber sind auch keine Übermenschen, sondern mit sich im Reinen: Sie geben gern und ohne Ziel, aber natürlich suchen sie auch Anerkennung. Erfolgreiche Geber freuen sich durchaus am eigenen Erfolg. Denen definieren sie aber eher darin, jemanden wirklich geholfen zu haben als darin, einen guten Vertragsabschluss  verhandelt zu haben.

Grant vermeidet in seinem Buch psychologische Kategorisierungen. Bis auf Adam Rifkin ist niemand der vorgestellten Personen als introvertiert oder extrovertiert bezeichnet. Nehmer klassifiziert Grant auch nicht als narzisstisch (was sie auch nicht sein müssen), und es kommt nach langer Zeit endlich mal keine Big Five-Beweisführung vor. Wohl weil ein Geber-Verhalten ist für unterschiedliche Persönlichkeiten vorstellbar ist.

Die Schubladen sind auf Geber, Nehmer und Tauscher wohl nur bedingt anwendbar. Wahrscheinlich könnte man herausfinden, dass Geber eher selten ein Machtmotiv, dafür umso eher eine Leistungsmotivation haben. Aber vermutlich können sie genauso gut introvertiert wie extrovertiert sein.

Das ist auch insofern prima, als das Buch mit Tipps endet, wie man selbst zum Geber werden kann. Ja, es macht glücklich, anderen zu helfen und es gibt viele Möglichkeiten, das zu tun. Man kann z.B. einen Reziprozitätsring einrichten, um sich wöchentlich zu treffen und sich von anderen helfen zu lassen und ihnen zu helfen. Unternehmen können Love Machines starten, um gebende Angestellte auszuzeichnen (nun gut, das ist sehr amerikanisch). Man kann sich auch auf einen 5-Minuten-Gefallen einlassen – beim Besuch des 106 Miles-Meetups.

Oder ein Ehrenamt übernehmen. Und nicht, um es in den Lebenslauf zu schreiben, liebe Absolventen, sondern um daran als Persönlichkeit zu reifen.

Ach so, Ihren eigenen Geberquotienten können Sie auch ausrechnen, bei Giveandtake. Lust bekommen, mehr zu Geben?

 

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

One Comment

  1. Ralf Metz 29. April 2014 at 15:31 - Antworten

    Liebe Svenja,

    ein toller Artikel – er deckt sich selbst mit meinen Erfahrungen, wobei es sich bei mir um eine grundsätzliche Lebenseinstellung handelt. Wie häufig habe ich gehört, dass ich nicht so grosszügig sein soll etc. – wenn ich jetzt anschaue, wo ich heute stehe und mir überlege, wo insbesondere die ‘Tipgeber’ stehen, so habe ich durchaus den Eindruck, dass sich meine Geber-Mentalität durchaus mehr als nur gelohnt hat.

    Aber entscheidend ist in der Tat für mich die innere Haltung – Dinge tun, um nur einen Vorteil daraus zu ziehen mag sicherlich bis zu einem gewissen Grad funktionieren.

    Ich bringe z.B. sehr gerne Menschen zusammen – nun könnte ich damit ggfs. auch gut als Headhunter arbeiten. Wenn ich mit dem Gedanken spiele, merke ich aber, dass sich dadurch für mich das ganze kommerzialisieren würde und am Ende wäre dann Druck da, dass ich nun damit Geld verdienen möchte.
    Also mach ich das einfach nebenbei for free – und wer weiss, auch daraus können sich spannende Dinge ergeben.

    Für mich hat sich eine Grundlebenshaltung bewahrheitet:
    Alles, was ich im Leben gebe, bekomme ich auf irgendeine Art und Weise wieder zurück – und dabei häufig mehr, als ich gegeben habe.

    Natürlich ist es nicht selbstlos, auch ich möchte Geld verdienen, aber auch dort mit dem Hintergedanken, Menschen zu unterstützen.
    Und natürlich hat auch meine Geber-Mentalität Grenzen (Thema ‘ausnutzen’ durch Nehmer), aber eben diese besagten Menschen, die sich von mir Zeit, Kontakte, Geld, Wissen etc wünschen, kann ich recht einfach vom Rest unterscheiden.

    Am Ende muss es für jeden individuell stimmig sein.
    Wobei ich mich an eine Studie erinnere, nach dem andere Menschen zu helfen einem selbst mit das grösste Glück / Zufriedenheit beschweren kann (wenn man sich eben selbst dabei nicht vergisst).

    In dem Sinne – Danke für das Aufgreifen des Themas, das Buch und deine Gedanken.

    Mit einem herzlichen Gruss,
    Ralf

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