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Behalt´s für dich: Warum es sich lohnen kann, auf Feedback zu verzichten

Veröffentlicht: 28. Oktober 2016Kategorien: Psychologie

„Die Rückmeldungen haben mich verunsichert. Ich war total angespannt als ich beim Kunden war“, berichtet Hans, der um Feedback zu einem schwierigen Projekt gefragt hatte. Die Kollegen hatten wohlwollend ihre Gedanken ausgebreitet, auf Schwierigkeiten gedeutet – und dadurch enorme Zweifel gestreut. Feedback – also eine Rückmeldung, Kritik, Lob, Nicht-Sagen, verbal und nonverbal – ist eine „Pille“, die auch viele negative Nebenwirkungen hat. Während einige es souverän wegstecken, bringt es andere völlig aus der Fassung.

Aus der Fassung geraten vor allem sensible Menschen mit einem hohen Anerkennungs-Motiv. Diese Menschen können sich nicht so gut abgrenzen – darüber habe ich in Zusammenhang mit den Insecure Overachievern schon geschrieben. Nicht wenige sind dabei perfektionistisch. Und viele hören selektiv: Eine sachlich gemeinte Rückmeldung wird da schnell zum persönlichen Angriff, Lob zerschellt wie an einer Wand.

  • Er: „Ich finde du machst das viel, viel besser als andere. So genau im Detail. Fantastisch!“
  • Sie: „Ja, ich bin immer so im Detail, das nervt mich total.“

Alles klar? Lob wird von diesen Menschen auch schneller vergessen. In Mails wird es überlesen. Es kann irgendwie nicht andocken. Sie sehen auch mehr implizites Feedback. Das sind die Rückmeldungen, die wir dauern durch unser Umfeld bekommen, ohne dass wir darum bitten. Doch deuten wir implizites Feedback so wie wir die Welt sehen, und so sehen nur wir sie. Deshalb sehen manche Menschen viel mehr Feedback und viel mehr Kritik als andere.

Dieser individuelle Blick ist aber nötig, sonst würden wir stagnieren. Die neue Idee, der andere Einfall kann nur entstehen, wenn einer seine Welt aus einem Blickwinkel betrachtet, den andere nicht haben. So betrachtet ist es von einem Feedback-Training nicht weit zur Gleichschaltung. Und so ist es aus meiner Sicht auch kein Wunder, dass in Firmenkulturen mit viel Feedback – normalerweise Konzernen – die Menschen oft sehr mittig und angepasster sind oder werden. Der derzeitige Trend zur Teamkultur birgt auch immer diese Gefahr des allgemeinen Kantenschleifens. Das ist nicht immer gut, denn Ideen brauchen nun mal das Extrem – weshalb ich eindeutig dafür bin, besonderen Menschen Sonderstellungen zuzubilligen. Was basisdemokratischem Denken entgegensteht.

Implizites Feedback ist immer da, es ist die Resonanz des Umfelds. Explizites Feedback kann auch hilfreich sein. Es hilft uns, den eigenen Standort zu vermessen und uns zu verbessern. Ausgesprochene, explizite Kritik kann eher als implizite – die „stille Annahme“ also – dazu führen, dass wir neue Perspektiven auf uns gewinnen. Das kann uns enorm weiterbringen. Aber auch ganz schön bremsen.

  • Sie: „Aus meiner Sicht bist du einfach nicht der Selbstständigen-Typ.“
  • Er: „Ja, vielleicht hast du recht. Ich bin einfach zu introvertiert. Ich gebe auf.“

Zack, Feedback, Vorhaben gestorben.

Ich habe eine Theorie. Nennen wir sie Ressourcen-Theorie. In Coaching-Ausbildungen wird einem eingetrichtert, jeder Mensch habe alle Ressourcen, seine Probleme selbst zu lösen. Ich glaube nicht daran. Es gibt Menschen, die haben nicht alle Ressourcen, denen muss man welche hinzufügen. Die beste Form der Ressourcen-Hinzufügung ist für mich die persönliche Entwicklung und ein guter Teil davon ist Ich-Entwicklung. Ich-Entwicklung ist für mich wie die Reife eines schönen Apfelbaums. Man wird immer fester und trägt mehr Früchte. Man ist ein vielfältiges Ganzes und doch verbunden mit der Welt. Mit weiterer Ich-Entwicklung werden auch sensible Menschen eher fähig, sich abzugrenzen. Und damit sterben weniger Vorhaben, weil man mehr in sich selbst ruht.

Wenn jemand lernt Feedback anzunehmen, ohne danach innerlich aufgewühlt zu sein und an sich zu zweifeln, dann gewinnt er Ressourcen, die er vorher nicht hatte. Den Boden dafür bereiten Therapien, ein entwicklungsbezogenes (kein zielerreichungsbezogenes) Coaching und vor allem – entwicklungsfreundliche Umgebungen. Das sind Umgebungen, die Reflexion fördern, Selbstdenken und allgemein die Grenzziehung um sich selbst fördern. Eine solche Grenzziehung beginnt mit inneren Klarheit, die das „Nein“ sagen erleichtert oder erst ermöglicht.

Man kann auch Ressourcen wegnehmen, geradezu killen. Ressourcenkiller sind Umgebungen, „Systeme“ und auch einzelne Schlüsselpersonen. Schlüsselpersonen, die sich jemand aufgrund eines inneren Musters sucht – beispielsweise suchen sehr perfektionistische Leute Feedback von noch perfektionistischeren. Unsichere suchen Feedback von unsicheren. Das ist nicht unbedingt förderlich, denn so entsteht Selbstbestätigung, aber kein neues Bild und kein Wachstum.

Es gibt auch implizites Feedback von ganzen Systemen, das Ressourcen killt. Stellen Sie sich vor, Sie landen aufgrund irgendeiner von 60 Bewerbungen in einem Unternehmen, das keine entwicklungsfreudige Umgebung ist, sondern das Gegenteil. Gedrückte Stimmung, Command, Order & Control und jede Menge Systemkrankheiten…. Dieses implizite Feedback steckt Sie ab wie ein Maßband. Hier sind wir und da sind Sie. Sie sind Fremdkörper. Stößt man sie nicht aus, passen Sie sich an, gehen auf Dauer Ressourcen flöten. Beim nächsten Job sind Sie nicht mehr derselbe. Sie sind irgendwie „kleiner“ und „weniger“.

Beim Umgang mit Feedback gehen Umwelt und Persönlichkeit eine Alliance ein, manchmal aber auch eine Mesalliance. Deshalb sollten wir sehr vorsichtig sein mit Rückmeldungen, ob wir danach gefragt werden oder nicht. Feedbackgebern und Feedbacknehmern muss klar sein, dass es unsere Einschätzung ist, unsere Sicht der Welt – niemand sollte Allgemeingültigkeit deklarieren. Geniales ist immer die Folge eines „ich glaube an etwas anderes“, das bedeutet auch das Verneinen. Geniales beginnt mit einem „Nein“ zum Feedback des Umfelds, einem Ignorieren von Ratschlägen und aus dem Absorbieren von Kritik.

Fünf Tipps für den Umgang mit Feedback:

Pendel mit gute Laune Smiley stt schlecht gelaunte Smileys an

1. Arbeiten Sie an Ihren inneren Grenzen

Für die Persönlichkeitsentwicklung sind Grenzen wichtig. Grenzen zu anderen zeigen eine eigene Identität an: So bin ich, und so bist du. Je weniger diese Grenzen sich verletzen lassen, desto autonomer das Ich-Land. Menschen mit klaren Grenzen kennen ihre Bedürfnisse. Sie können „nein“ sagen. Menschen mit unklaren Ich-Grenzen, merken ihre Bedürfnisse nicht. Sie können nicht „nein“ sagen. Die Bedürfnisse der anderen sind die eigenen. So kann auch Feedback leichter zu einer Grenzverschiebung führen. „Du bist keine Führungskraft“ – eine Rückmeldung dieser Art wird dann ins Selbstbild eingespeist. So verschwinden Ressourcen, weil das Ich nicht mehr Ich ist, sondern die anderen.

2. Machen Sie eine partielle Feedback-Entzugskur

Feedback hilft? Nicht unbedingt. Ich plädiere in bestimmten Situationen und bei persönlicher Unsicherheit dazu, eine Zeitlang auf Feedback zu verzichten, damit man zu sich selbst zurückkehren kann. Was empfinde ich? Was denke ich? Was würde ich tun?  Es geht vielmehr darum, den eigenen Kern zurückzuholen, wenn dieser verschwunden ist. Das gilt vor allem, wenn Feedback verunsichern würde. Beispiele: Jemand gründet ein Unternehmen und Feedback für die eigene Strategie bringt vom inneren Kurs ab. Jemand kündigt und gut gemeintes Feedback sorgt für schlaflose Nächte…

3. Suchen Sie das Feedback anderer Systeme

Sie arbeiten in einem beruflichen Umfeld, dass auf eine bestimmte Art und Weise geprägt ist. Sie leben in einem privaten Kreis, der so oder so denkt und interagiert. Das Umfeld sagt Ihnen, dass Sie so oder so sind. Es gibt Ihnen Rückmeldungen über die Art und Weise, wie Sie im Team arbeiten oder wie Sie führen. Diese Rückmeldungen können in einem anderen System ganz anders sein. Deshalb haben Menschen, die öfter Systeme wechseln, oft eine relativere Sicht. Diese relativere Sicht tut dem eigenen Selbstwert gut. Systemwechsel helfen.

4. Fragen Sie gar nicht erst um Rat

Feedback ist Resonanz, die Personen aus einem bestimmten Umfeld auf Sie zeigen – es ist keine Wahrheit.  Meiden Sie explizites Feedback, wenn es sie von etwas abbringen können, an das Sie tief im Innern glauben. Die meisten Erfindungen würde es nicht geben, wenn die Erfinder andere um Rat gefragt hätten.  Es gäbe keine widersprüchlichen Strömungen, neue Ansätze und genialen Geschäftsideen, wenn sich Menschen nicht dem Feedback – impliziten wie expliziten – widersetzen würden.

5. Suchen Sie selektiv Feedbackgeber

Gleich und gleich gesellt sich gern, aber gleich und gleich stagniert auch. Wenn Sie Grenzen ziehen und sich entwickeln wollen, helfen Ihnen am meisten Menschen, die diese Grenzen bereits haben, die in diesem Sinne also reifer sind. Entscheiden Sie sich für einen Sparringspartner, bei dem Sie ein gutes Gefühl haben. Das ist jemand, mit dessen Weltsicht Sie sich identifizieren können, bei dem Ihnen der Bauch sagt, das ist für mich jetzt im Moment und mit Blick auf meinen nächsten Schritt richtig.

 

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

5 Kommentare

  1. Daniel Goetz 28. Oktober 2016 at 18:18 - Antworten

    Hallo Frau Hofert,
    vielen Dank für Ihren Beitrag zu „Feedback“ – einem Thema, das ich für sehr wichtig halte für den unternehmerischen Kontext. In zahlreichen Aspekten kann ich Ihnen zustimmen – folgende Perspektiven möchte ich jedoch ergänzen.

    Nicht alles ist Feedback
    Was ist Feedback? Zunächst ist es in meinen Augen sinnvoll, Feedback von anderen Formen der Rückmeldung zu differenzieren. Für mich bezieht sich Feedback vor allem auf Aspekte des kommunikativen oder zwischenmenschlichen Handelns. Dies unterscheidet Feedback z.B. von einer Leistungsbeurteilung, Bitte oder Selbstaussage seitens des Feedbackgebers.

    Feedback als Gleichschaltung?!
    “So betrachtet ist es von einem Feedback-Training nicht weit zur Gleichschaltung.” – Auch nach mehrmaligem Lesen erschließt sich mir die innere Logik dieser Aussage nicht – schon gar nicht im Kontext des Absatzes. – Hier scheint eine grundlegend hinderliche Haltung zu Feedback die Basis zu sein. Wer Feedback als Erziehungsinstrument versteht, kann vielleicht auf die Idee von “Gleichschaltung” kommen. Feedback als Perspektivpreisgabe hingegen sollte immer aus einer wohlwollenden Haltung heraus erfolgen. Zudem zeichnet sich “gutes” = angemessenes Feedback durch eine klare Ich-Perspektive, eine sinnesspezifische Rückmeldung und den Angebotscharakter aus (mehr dazu im Artikel unten).

    Bitte nicht psychologisieren!
    Was ist „gutes” Feedback? Feedback muss “ankommen”, damit es wirkt. Ob ein Feedback ankommt, hängt häufig mehr von der Form als vom Inhalt ab. Das von Ihnen genannte Beispiel (“Aus meiner Sicht bist du einfach nicht der Selbstständigen-Typ.”) ist ein typischer Fall von psychologisierendem Feedback – einem Sündenfall unter Kollegen und v.a. in Führungsbeziehungen. Aussagen zur Psyche sollten Profis (Psychologen & Co.) oder guten Freunden überlassen werden. Aussagen auf Identitätsebene (“Sie sind ein … Typ”) sind nicht nur anmaßend – sondern führen häufig auch zu (rechtmäßigem) Widerstand beim Angesprochenen. Menschen sind höchst sensibel, wenn es um Identitätszuschreibungen geht; die Logischen Ebenen (nach Robert Dilts) sind hier eine gute Orientierung.

    Sich der eigenen Ressourcen erinnern – kein “Hinzufügen”
    Das Axiom, jeder Mensch besitze bereits alle Ressourcen, interpretiere ich anders als Sie. Wobei Sie es im Prinzip selbst schreiben: “Die beste Form der Ressourcen-Hinzufügung ist für mich die persönliche Entwicklung und ein guter Teil davon ist Ich-Entwicklung.” – D’accord! Aber dieser Prozess ist ja wohl eher einer des “sich Erinnerns an Ressourcen” – und kein Hinzufügen seitens des Coaches.

    • Svenja Hofert 30. Oktober 2016 at 9:36 - Antworten

      Hallo Herr G., mir war zu viel offensichtliche Eigenwerbung in dem Kommentar, z.B. durch Links und Buchhinweise. Es schien die Absicht durch, sich einen wertvollen Link zu sichern. Deshalb habe ich herausgelöscht, die guten Diskussionspunkte aber dringelassen. Letzendlich müsste man epistemologisch an den Begriff Feedback gehen. Was genau ist es und was ist es nicht? Wer hat die Deutungshoheit. Ebenso verhält es sich mit Ressourcen. Meine Argumentationslinie bezogen auf Ressourcen – und die betrifft alle von Zeit bis hin zu Wollen und Können: Ressourcen sind etwas, das vorhanden ist. Wenn erst Lernen oder Entwicklung zu Ressourcen führt, so waren diese vorher nicht da, ergo sind sie neu, hinzugefügt.
      Was das Feedback angeht, so haben Sie völlig recht, es ist natürlich wichtig, wie es erfolgt. Aber auch wann. Und die entwicklungspsychologische Reife ist massgeblich. Nicht alle Menschen können sich von Feedback – gleich wie es erfolgt – abgrenzen. Das zu lernen ist unheimlich wichtig, aber hier kommt die Wann-Frage. Es ist ein längerer Prozess. LG Svenja Hofert

      • Daniel Goetz 31. Oktober 2016 at 11:27 - Antworten

        Hallo “Frau H.” – nee, das finde ich respektlos – daher: Hallo Frau Hofert, danke für die Freischaltung meines Kommentars. Und Sie haben Recht, auf Ihrem Blog war es nicht besonders passend, fremde Links zu posten. Es war ja keine Blogparade – insofern sorry (ich lerne dazu!).
        Zum Ressourcen-Verständnis: Mir geht es genau umgekehrt – auch derzeit verborgene Ressourcen sind für mich Ressourcen. Ansonsten wären Kohle, Erze oder Erdöl keine Ressourcen, da ich auch diese erst freilegen muss. Insofern ist Coaching für mich eher das “fördern” von Ressourcen (so wie man auch Öl fördern muss).
        Ich kann Vielem zustimmen, was Sie geschrieben haben. Die (m.E.) pointierte Form hat mich jedoch im besten Sinne “provoziert” 😉
        Besten Gruß, Daniel Goetz

  2. Christine Radomsky 28. Oktober 2016 at 20:22 - Antworten

    Vielen Dank für Ihre Gedanken über die Tücken von ungebremst gegebenen und absorbierten Feedback, Frau Hofert. Die eigenen Grenzen zu stärken halte ich auch für einen ganz wichtigen Startpunkt. Interessant ebenso Ihre anderen vier Tipps. Eine Variante zu Tipp 5 möchte ich gern noch ergänzen: Selektives Feedback suchen. Dem angesprochenen Feedback-Geber also ganz klar sagen, zu welchen Punkten meines Projektes oder Problems ich Feedback haben will. Das hat mich manchmal schon vor Feedback-Überflutung bewahrt.
    Ich freue mich auf Ihren nächsten Blog-Artikel.
    Viele Grüße aus Berlin
    Christine Radomsky

  3. […] besser sein, sich (zeitweilig) vom Feedback anderer abzukoppeln. Darüber hat Svenja Hofert hier gerade […]

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