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Warum Ziele dir Chancen verbauen und 5 Gründe darauf zu verzichten

Veröffentlicht: 1. März 2017Kategorien: Psychologie

Ein großer Teil der Coaching-Industrie basiert auf einem unerschütterlichen Glauben an Ziele. Ziele sind wie Gott, man opfert sich auf, um sie zu erreichen. Business Coaching ist auch Zielerreichungscoaching. Es gibt Karriereziele, Lebensziele, Erfolgsziele und allerlei Zielerlei mehr. Ziele sind ein Wirtschaftsfaktor: So lange es Ziele gibt, arbeiten alle still darauf hin. Man konzentriert sich darauf, diese zu erreichen. Und wer seine Aufmerksamkeit auf das eine richtet, sieht das andere nicht mehr. Das ist auch ein therapeutisches Mittel: Die Aufmerksamkeit von etwas ablenken.

Ich gebe dem Coaching eine erhebliche Mitschuld an dieser Ziel-Fokussierung. Wenn mir noch mal einer mit SMART kommt, jage ich ihn vom Hof. Ich selbst habe oft Ziele erreicht, ohne welche zu haben. Ich bin keineswegs zielfrei, aber gerade in den letzten Jahren habe ich mich anstatt von Zielen immer mehr von Bedürfnissen und Prinzipien leiten lassen. Ich begegne oft Leuten, die Zweifel am Zielorientierungs-Dogma haben. Die meisten trauen sich nicht darüber zu sprechen. Sind sie als Coach oder Berater tätig, verheimlichen sie ihre Zweifel. Nicht nur einmal habe ich gehört „dir kann man es sagen, du bist das anders, aber in meinem Verband traue ich mich das nicht.“ Gerade deshalb ist es Zeit, einmal darüber zu sprechen.

Ich bin mal frech und behaupte: Ziele sind nützlich für Leute, die einen in ein Korsett zwingen wollen. Wer sich auf seine Ziele konzentriert, hat keine Zeit, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Das ganze Ziel-Übel in der Coaching-Szene begann mit der Zielsetzungstheorie, die Locke & Latham 1990 veröffentlichten. Danach drang das „smarte“ Elend in der Trainerszene und erfasste auch das Coaching. Ich will gar nicht sagen, dass Ziele per se schlecht sind – je klarer und eindeutiger auf das Ziel gerichtet unser Streben ist, desto eher erreichen wir es. Lieber kein Plan B, sondern nur A – dann kommen wir an. Das ist nachgewiesen. Aber ist es deshalb gut Pläne zu haben? Manchmal sicher, aber nicht immer.

Eine Frage wird bei dem ganzen Zielerreichungsstreben vergessen: Verfolgen wir wirklich die richtigen Ziele? Verfolgen wir wirklich unsere Ziele? Wie viel von uns selbst steckt wirklich in unseren Zielen? Oder sind es vielmehr oft nicht gesellschaftliche Erwartungen und der Wunsch nach Zugehörigkeit, die uns zu Zielen treiben?

Ich will meine Gedanken in 5 Punkten ordnen, die die „dunkle Seite“ der Zielorientierung vielleicht auch dem ein oder anderen Zielüberzeugten deutlich machen:

1. Wenn Du ein Ziel verfolgt, bist du nicht im Moment

Erinnern Sie sich an Beppo Straßenkehrer aus Momo? „Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst Du? Man muss nur an den nächsten Schritt denken, den nächsten Atemzug, den nächsten Besenstrich. Und immer wieder nur den nächsten.“

Ziele überlagern den Moment, sie können ihn sogar zerstören. Ziele sind zukunftsorientiert. Wer an die Zukunft denkt, vernachlässigt die Gegenwart. Ziele gefährden das Innehalten, das spüren, berühren, entdecken und sich entwickeln lassen. Die andere Seite des Ziels ist das Treiben lassen. Während sich das Ziel mit der Zukunft verbündet, ist das Treibenlassen in der Gegenwart. Im beruflichen Kontext fördert Treibenlassen das Entdecken, Erkunden, Experimentieren, das sich einlassen auf andere.

Ich muss hier an ein Zitat von Heinrich von Förster denke, das mir nicht mehr aus dem Kopf geht: „Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners“. Ziele werden oft als Wahrheit ausgegeben. Wer jedoch dialektisch denkt, kann etwas nie ohne sein Gegenteil verstehen.

2. Während du ein Ziel verfolgst, verpasst du Chancen

Stellen Sie sich vor, Sie haben einen schönen Plan, auf den Sie sich voll und ganz konzentrieren. Sie denken Tag und Nacht daran, ihre Gedanken sind fokussiert. Doch was passiert um sie herum? Ziele können wie eine Gehirnwäsche sein, sie gaukeln Klarheit vor. Sie merken immer weniger. Je mehr sie ihrem tollen Karriereziel, ihrem Lebenstraum oder der Berufung hinterherlaufen, desto weniger sehen Sie Möglichkeiten, die es sonst noch gäbe.

Menschen haben Angst vor Möglichkeiten. Möglichkeiten verlangen Entscheidungen. Je mehr Möglichkeiten, desto mehr muss man in sich selbst hineinhorchen, bei sich ankommen, sich spüren. Das wollen viele nicht, das können viele nicht. Sie suchen nach Lösungen, möglichst einfach sollen sie sein. Möglichst vom Denken und sich-selbst-spüren befreien. Dabei ist gerade das der Schlüssel zur Zufriedenheit, das sich-selbst-spüren. Nur gibt es für den Weg dahin kein Rezept.

Wer auf Ziele verzichten kann, muss sich frei gemacht haben von den Erwartungen anderer und muss angekommen sein bei sich selbst. Er muss seine Bedürfnisse spüren können, denn nur aus ihnen heraus können Richtungen entstehen. Richtungen sind oft viel interessanter als Ziele, weil sie ihre Voraussetzung sind. Man könnte sogar soweit gehen zu sagen: Erst aus der inneren Richtung ergibt sich ein Ziel. Die rechte Hand der Richtung ist das Prinzip. Prinzipien können einen auf eine viel gesündere Weise leiten als Ziele, vor allem wenn es übergeordnete Lebensprinzipien sind wie „ich schaue mir alles Neue offen an“.

3. Wenn du dein Ziel krampfhaft verfolgst, wirst du krank

Seitdem ich mit der Ich-Entwicklung arbeite, gehen mir immer mehr Lichter auf. Vor allem Menschen in der eigenbestimmten Stufe E6 sind „Zielmenschen“. Sie wollen etwas eigenes erreichen, sei es Berufung oder Karriereziel. Sie fühlen sich auch selbst verantwortlich dafür, weil sie es als ihre Ziele ansehen. Das führt oft zu starkem Druck, der sich nicht selten sogar körperlich auswirkt. Hier zu fragen „verfolgst du überhaupt die richtigen Ziele“? kann sehr erleichtern. Die Lösung kann darin liegen, Ziele loszulassen, die Zielorientierung aufzulösen und sei es nur vorübergehend, um sich zu finden. Jedes Gewicht braucht ein Gegengewicht.

4. Ziele können dir die Sinne vernebeln

Ja, das ist sicher eine steile These. Aber wenn ich mir ansehe wie eindimensional und stupide Zielorientierung oft gelebt wird, beschleicht mich der Verdacht. Mit simplen Motivationsparolen à la „du musst nur wollen“ werden Leute auf ihre eigenen Ziele angesetzt. Anstatt sich mal damit zu beschäftigen, warum man seine Ziele nicht anpackt? Dann müsste man tiefer tauchen und käme vermutlich bald an bei einem ganz entscheidenden Punkt: Die Ziele sind nicht wirklich die eigenen, sondern es sind introjizierte Ziele. Sie kommen aus alten Glaubenssätzen oder neuem Dazugehörigkeitsstreben, aber nicht aus mir selbst. Denn, davon bin ich fest überzeugt: Würden sie aus dem tiefen Innern kommen, so würde man sie verfolgen!  Diese ganze Ziel- geht meiner Meinung nach einher mit einer viel zu sklavischen Lösungsorientierung. Man soll möglichst nicht über sich nachdenken, sondern einfach machen. Aber wer nicht mit sich im Reinen ist und nach dem einen einfach das nächste Ziel sucht, verdeckt letztendlich nur – und verschiebt die Auseinandersetzung mit sich selbst.

5. Ziele machen dich unaufmerksam

Ziele können der Menschlichkeit im Wege stehen, vor allem wenn sie den Kopf für alles andere leeren und alle Sinne in Beschlag nehmen. Das Ziel im Kopf rannte ich los. Ich übersah den Rollstuhlfahrer, der meine Hilfe beim Übergang auf den Bahnsteig gebraucht hätte, ich schlug der älteren Dame die Tür vor der Nase zu und ich habe wertvolle Gespräche abgebrochen, weil ich noch etwas vermeintlich Wichtiges zu tun habe. Etwas, das meinem Ziel dient. Das tut mir leid, es hat mir Möglichkeiten genommen.

Damit wären wir im Grunde wieder bei Punkt eins und zwei. Ziele nehmen uns den Moment, die Achtsamkeit (1). Und Ziele verbauen uns Möglichkeiten. Wenn alles im Gleichgewicht sein soll, so ist es das Gleichgewicht zwischen Ziel und Treibenlassen, Zukunft und Gegenwart, engem und breiten Aufmerksamkeits-Fokus und aus der Balance geraten. Vielleicht gar nicht so sehr in unserem Handeln, aber in unserem Denken.

Was meinen Sie? Ist es Zeit für das Ende der Zielorientierung?

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

23 Kommentare

  1. Bianca Bender 1. März 2017 at 14:41 - Antworten

    Liebe Frau Hofert,
    Sie sprechen / schreiben mir aus der Seele!
    Gerade gestern habe ich genau nach diesem Thema recherchiert, weil ich festgestellt habe, dass ich gerade gar keine Ziele mehr habe. Das hat mich erstmal ratlos, fast schon ängstlich, gemacht, weil ich bisher immer einen Plan hatte. Muss man denn überhaupt Ziele haben, habe ich mich dann gefragt? Mich haben meine Ziele in den letzten Jahren komplett unter Druck gesetzt! Jegliche Leichtigkeit ist flöten gegangen, nichts hat mehr Spaß gemacht, ich war selten im Moment, sondern immer irgendwo in der Zukunft (die wiederum fast nie so kommt, wie man es geplant hatte, weswegen man immer frustrierter/deprimierter wird). Ich muss, ich muss, ich muss, war jahrelang mein eigenes Credo……… Pffff – ich muss gar nichts!
    Allerhöchstens entschließe ich mich dazu, ein Auge offen zu halten, um evtl. vorbeikommende Chancen zu erkennen 😉 Weniger planen, mehr leben!

  2. Christoph Burger 1. März 2017 at 16:42 - Antworten

    Liebe Svenja,
    ich bin gespannt, welche Rückmeldungen zu bekommst. Auf meinen Post “Sind Ziele unnütz?” im Xing-Coaching-Forum kamen damals ziemlich verständnislose Reaktionen von Coach-Kollegen …
    http://bit.ly/2lz7wkY

    Viele Grüße, cb

    • Svenja Hofert 2. März 2017 at 13:56 - Antworten

      Hi Christoph, danke! Bisher halten sich die verständnislosen Reaktionen in Grenzen, aber wer hier mitliest ist mir in der Regel wohl gesonnen, in einem Forum wäre das wohl anders 😉 Dann gingen deine Gedanken ja schon 2011 in die gleiche Richtung. Da hatte ich mein Slow-Grow-Prinzip in Arbeit, das war noch ziemlich relativierend, aber auch schon auf Abstand von der Zielbewegung. Interessant das im Nachhinein zu betrachten. LG Svenja

  3. Lisa Keiler 2. März 2017 at 8:07 - Antworten

    Vielen Dank, Frau Hofert, für diesen Artikel. Ihre Beiträge sind wirklich ein Gewinn!

  4. K. Ghaffari 2. März 2017 at 8:12 - Antworten

    My two cents: Es gibt 3 “Ziele”, die stets *gleichzeitig* existieren: 1) Resultate erzielen. Dafür erhöht man die Chance indem man u.a. zielorientiert ist und planmäßig vorgeht. 2) Beziehungen gestalten. Dito u.a. mit sich im Hier und Jetzt einlassen und Bedürfnisorientierung. 3) Erkenntnisse gewinnen. Dito u.a. mit gelassen, fragend, ziellos sein.

    Der Dienstleister (also auch Coach) sollte eigentlich dazu beitragen, dass der Kunde zu seiner *Lösung* kommt. Die Lösung des aktuellen Themas ist nicht selten unter 2) oder 3) zu finden. Die Tatsache dass die auf immer höher und immer weiter geprägte Welt primär 1) auf dem Radarschirm hat, sorgt dafür, dass die Lösung primär unter 1) vermutet wird.

    • Svenja Hofert 2. März 2017 at 14:09 - Antworten

      Hallo Herr Ghaffrari, da gehe ich nicht mit, vor allem nicht in Bezug auf Gleichzeitigkeit. Zu cent 2: Man muss die Entwicklungsphase des Klienten berücksichtigen. Da sind viele – ca. 55% – nicht in einer voll ausgebildeten eigenbestimmten Stufe angekommen, d.h. strenggenommen liegen Lösungen, auch wenn sie gefunden werden, nicht in einem selbst. Viele Coaching-Lösungen entstehen in der gewohnten Denk- und Handlungslogik – die aber reicht oft nicht um Herausforderungen zu bewältigen, schon gar nicht in Führung. Deshalb gerät die Lösungsorientierung z.B. à la de Shazer an Grenzen. Auch in der Therapie ist man mittlerweile soweit, die Gleichwertigkeit verschiedener Ansätze zu sehen (z.B. zudeckend und aufdeckend) – nur im Coaching ist man oft einseitig lösungs-/zielfokussiert. Überall gibt es Diversifizierung, in der Medizin etwa auf den Genotyp. Nur im Coaching meint man mit demselben Hammer alle Nägel einschlagen zu können.

      • K. Ghaffari 2. März 2017 at 16:37 - Antworten

        Ich glaube wir reden vom gleichen Thema, aber noch nicht sprachlich synchronisiert. Vielleicht auch nicht. 🙂 Ich setze neu an:

        Gleichzeitig bedeutet, dass der Mensch, der im jeweiligen Umfeld agiert, Erkenntnisse hat, die immer wieder durch Interaktionen oder Umstände oder Beziehungen herausgefordert werden, und daher ggfs. durch neue Erkenntnisse ersetzt werden.

        Die Interaktionen zwischen Menschen beeinflussen die Beziehungsgestaltung zwischen diesen Menschen. Verändert sich die Haltung oder Handlung einer der Personen, verändern sich ggfs. die Beziehungen. Verändern sich Ziele, braucht man ggfs. neue Beziehungsmodalitäten.

        Ein Unternehmen als eine Gemeinschaft verfolgt Ziele und möchte Resultate erzielen. Das Individuum hat eigene Ziele. Diese beeinflussen sich gegenseitig, werden wiederum durch neue Erkenntnisse oder neue Beziehungsmodalitäten ebenfalls beeinflusst.

        Die Lösung (zumindest aus meiner Sicht) ist es, die Gründe der aktuellen Blockade zu suchen und der Gemeinschaft zu helfen, zu erkennen wo und wie die Gemeinschaft und das Individuum anderes “denken”, “fühlen”, oder “handeln” könnten. Iterativ.

        Deswegen mache auch ich am Anfang keine Smart-Ziele. Weder im Coaching noch im Projektmanagement. *) Denn dadurch treffe ich bereits eine Vorentscheidung, die ggfs. nicht lösungsdienlich ist.

        *) Vielleicht sollte ich dazu erwähnen, dass ich von der Trennung zwischen Coaching, Training oder Beratung wenig halte. Das läuft nämlich unweigerlich in Richtung von Tool-Anwendung. Ich glaube vielmehr, dass es die Coach-, Berater- und Trainer-*Haltung* gibt, die situativ zum Einsatz kommen sollten.

  5. Christian Hennig 3. März 2017 at 8:02 - Antworten

    Hallo Frau Hofert,

    ich denke, es sollte davon abhängig gemacht werden, ob die betreffende Person prinzipiell in der Lage ist, sich Ziele setzen zu können bzw. das Prinzip dahinter kennt / verstanden hat. Um dann bewusst davon auch abweichen zu können.

    Meine Coaching-Zielgruppe sind Langzeitarbeitslose. Bei ihr stelle ich immer wieder fest, dass die Faktoren Ziellosigkeit, Planlosigkeit und Antriebslosigkeit eine sich gegenseitig beeinflussende „unheilige Allianz“ bilden, die die Wiederaufnahme von Arbeit erfolgreich blockieren.

    Für meine Zielgruppe, so stellt es sich in der täglichen Coaching-Praxis meiner Kollegen und mir immer wieder dar, ist z.B. das Prinzip der SMARTEN Ziele – in Kombination mit anderen Instrumenten des Zeit- und Selbstmanagements – ein probates Hilfsmittel unter mehreren, um die Relevanz einer generellen Zielsetzung sowie ihrer Kontrolle und Realisierbarkeit bewusst zu machen. Wir sprechen von Menschen, die sich prinzipiell damit schwertun, ihr Projekt „Wiederaufnahme von Arbeit“ ziel-gerichtet und/oder ziel-führend zu entwickeln und zu verfolgen.

    Nichtsdestotrotz sind die von ihnen beschriebenen 5 Thesen der „dunklen Seite“ der Zielorientierung ein interessanter kontroverser Blickwinkel auf die Ziele-Thematik, um auch mal den eigenen Umgang mit den ganz persönlichen Vorhaben bzw. Zielsetzungen zu hinterfragen, danke dafür!

    • Svenja Hofert 5. März 2017 at 16:08 - Antworten

      Hallo Herr Hennig, danke für Ihren Beitrag. Völlig richtig, man muss sehen, mit welcher Zielgruppe man es zu tun hat – und inwieweit dieses fähig ist, sich selbst Ziele zu setzen oder auch ohne Zielsetzung weiterzukommen. Ich bin absolut bei Ihnen dass bei dieser Zielgruppe Zielorientierung wichtig ist und smart hier durchaus eine Berechtigung hat. Im Grunde muss man sich erst einmal die Reife der Menschen anschauen, könnte man auch als innere Klarheit bezeichnen. Je größer diese ist, desto weniger wichtig sind Ziele. herzliche Grüße Svenja Hofert

    • Christoph Burger 6. März 2017 at 18:23 - Antworten

      Der Hauptgrund, wieso Menschen langzeitarbeitslos sind, dürfte in unserem Wirtschaftssystem liegen. Unser System produziert Arbeitslose. Dass es sie gibt ist eine der Determinanten dieses Systems. (Wenn es nicht jene trifft, trifft es andere) Wir sollten uns hüten, diese Schicksale (allein oder hauptsächlich) den betroffenen Personen in die Schuhe zu schieben. Und in das Fahrwasser hineingeraten, “für diese spezielle Zielgruppe passen smarte Ziele”.

      Vielleicht entscheidet sich der eine oder die andere sogar dafür, angesichts von Alternativen wie Niedriglohn-Zeitarbeit lieber arbeitslos zu bleiben? Wer definiert, dass dies nicht legitim ist? (womit nichts dagegen gesagt sein soll, politisch dagegen zu steuern, dass sich so eine Argumentation auch noch finanziell quasi lohnt. Steuerung z.B. per höherem Mindestlohn / Grundeinkommen etc.).

      Schon gar nicht würde ich davon ausgehen, dass Langzeitarbeitslose “weniger reif” sind und deshalb smarte Ziele brauchen.

  6. Maria Ehrenberg 3. März 2017 at 10:17 - Antworten

    Liebe Svenja, das musste definitiv mal gesagt werden! Das blinde Hinterherhecheln nach Zielen um der Ziele ist überflüssig. So oft geht es nur darum, Ziele zu erreichen, um sich selbst an einen unhinterfragten, äußeren Maßstab “heranzuoptimieren”.

    Häufig glauben wir ja, wenn wir dann mal Ziel XY erreicht haben, dann können wir uns selbst auf bestimmte Art und Weise sehen und fühlen (wichtig, erfolgreich, selbstbewusst, anerkannt…).

    Es kann auch durchaus beflügelnd sein, etwas zu erreichen – keine Frage. Doch wieviel erfüllender ist ein von innen her gelebtes Leben, bei dem ich meinen Wert nicht von äußeren Resultaten abhängig mache. Und da sind wir wieder bei der eigenen Entwicklung und Auseinandersetzung mit sich selbst…

  7. Mathias Collin 4. März 2017 at 15:45 - Antworten

    Liebe Frau Hofert,
    ich halte Ziele für wichtig.Wüssten wir sonst, in welche Richtung wir uns auf den Weg machen sollten? In meinen Augen ist es allerdings falsch, ein Projekt/Vorhaben allein an der Zielerreichung zu messen. Denn: Lernen tun wir auf dem Weg. Das setzt aber voraus – und da bin ich ganz bei Ihnen -, dass man nicht nur auf das Ziel fixiert ist, sondern aufmerksam und achtsam vorangeht und die sich bietenden Chancen wahrnimmt. Meiner Ansicht nach sollte die Priorität bei der Bewertung nicht auf dem Haken (“Ziel erreicht”) liegen, sondern auf dem Erkenntnisgewinn. In diesem Sinne wäre tatsächlich der Weg das Ziel.
    Beste Grüße
    M. Collin

  8. Uli Beck 4. März 2017 at 15:50 - Antworten

    Danke für den Text. Er regt klar zum reflektieren an. Für mich sind Ziele weiterhin wichtig. Ich sehe sie jedoch nicht dogmatisch. Der jeweilige Moment kommt selten zu kurz, denn wir leben nur im Jetzt und können auch nur jetzt unsere jeweilige Haltung ändern.
    Achtsamkeit für den Moment ist ein wichtiger Treiber um seine wertebasierten Entscheidungen zu treffen.
    Völlig ziellos treibenlassen vergleiche ich gerne mit einem Holzstück im Rhein. Dieses hat nie eine Chance Basel zu erreichen, wenn es bei Köln in den Fluss fällt.
    Deswegen bin ich für flexible agile Ziele – die den gegebenen Momenten angepasst werden.
    Herzliche Grüße
    Uli Beck

  9. Doris Katzenstein 4. März 2017 at 16:57 - Antworten

    Sehr geehrte Frau Hofer
    Ihr Artikel ist eindrücklich. Ein Ziel zu haben ist wichtig. Die Frage stellt sich für mich aber, wie krampfhaft man dieses Ziel verfolgt. Wer dies unter Druck tut, dem geht es genauso, wie Sie es beschreiben. Wer aber schon früh gelernt hat, selbständig zu denken, der sieht vielleicht dann sehr schnell, dass das angesprebte Ziel zu hoch und nur mit viel Nebenerscheinungen erreicht werden kann. Also setze ich mir lieber ein neues Ziel und schaue, ob dies mit Anstrengung aber nicht mit Gesundheits-, Persönlichkeits- oder Familiärenproblemen erreicht werden kann. Unsere Gesellschaft ist leider nur zu Negativem mutiert und die Menschlichkeit wird sowieso vergessen. Zufriedenheit im Herzen können wir uns nur selbst schaffen und das hat damit zu tun, dass wir wissen wer wir sind. Trotzdem dass ich keinen Job mehr bekomme, obwohl ich gut qualifiziert bin (Ü50) war und bin ich weiterhin zufrieden mit meinem Leben. Es wird sich schon wieder eine Tür auf tun, doch das braucht halt eben Geduld und bekanntlich ist Geduld eine Tugend. Im Gegensatz zu vielen Menschen, lasse ich mich nicht von Aussen beeinflussen, denn es gibt auch viele Menschen, die mich mögen, weil ich ebenso bin wie ich bin. In meinem Alter sehe ich nicht ein, warum ich mich noch ändern sollte, damit ich mit einem Strom fliesse, der mit Menschlichkeit oder Persönlichkeit nichts mehr zu tun hat. Und eigentlich sagen Sie dies genau mit Ihrem Artikel. Wenn mehr Menschen wieder Anstand, Akzeptanz und Respekt hätten, ginge es uns auf der ganzen Welt besser.

  10. […] Ein großer Teil der Coaching-Industrie basiert auf einem unerschütterlichen Glauben an Ziele. Ziele sind wie Gott, man opfert sich auf, um sie zu erreichen. Ich selbst habe oft Ziele erreicht, ohne welche zu haben. Ich bin keineswegs zielfrei, aber gerade in den letzten Jahren habe ich mich anstatt von Zielen immer mehr von Bedürfnissen und Prinzipien leiten lassen.  […]

  11. Lars Hahn 6. März 2017 at 15:00 - Antworten

    Einspruch, liebe Svenja!
    Wenn Du das “Für Dich richtige Ziel” definierst, kann das zu einem großen Motivator werden. Die Kunst liegt im richtigen Ziel und in der anschließenden Umsetzung. Ich hatte darüber mal vor einiger Zeit geschrieben: http://bit.ly/2mw2kC3

    Ziele sind wie die Möhre vor der Nase des Pferdes. Sie treiben einen an.

    Die Kunst liegt aus meiner Sicht darin, die Waage zu halten zwischen stupider Zielverfolgung und kreativem Loslassen.

    Am besten erreicht man doch ein Ziel, wenn man die Umwege wertschätzt, die man bei der Erreichung geht. Und wenn’s mit dem ursprünglichen Ziel nicht klappt, macht man halt ein neues draus.

    • Svenja Hofert 6. März 2017 at 15:19 - Antworten

      Einspruch, lieber Lars. Zielorientierung ist ein mögliches Konzept, aber nicht das alle und immer seligmachende. Wir sollten aufhören daran zu glauben, dass es Dinge gibt, die für jeden und immer passen. Und wer sagt, dass es die Möhre braucht oder auch überhaupt nur – Antrieb von-zu? Frag mal den Dalai Lama, ob er Ziele hat. Er hat Prinzipien. Das ist ein entscheidender Unterschied. lG Svenja

  12. Laura 14. März 2017 at 11:47 - Antworten

    Liebe Frau Hofert,
    DANKE für diese Gedanken!!! Ich habe mich schon immer “schlecht” gefühlt, weil ich die Frage nach meinen Zielen nie richtig beantworten konnte, ich fand es absurd mir irgend welche konstruierten Ziele zu stecken, frei nach dem Motto “der Mensch denkt, Gott lenkt”. Alles in mir weigerte sich. Die Frage in Vorstellungsgesprächen “wo wollen Sie in 5 Jahren sein” hat mir immer schon Bauchschmerzen gemacht weil ich es schlicht nicht wusste.
    Mir geht das schon seit Jahren auf die Nerven, aber bisher habe ich nirgendwo etwas dazu gelesen. Also DANKE dass Sie diese Gedaken in die Welt hinaustragen.

  13. Hedy Gerstu 27. März 2017 at 19:57 - Antworten

    Liebe Frau Hofert,

    danke für die inspirierenden Gedanken. Nehme ich gerne mit, vor allem beim Treiben, dem Hier und im Jetzt sein.
    Spannend mich selbst immer wieder der Frage zu stellen. Danke, für die Idee!!!
    Die Frage ist ja auch, kann ich von meinem Ziel ablassen um im
    Moment sein zu können, und was nehme ich um mich herum war.
    Andererseits gilt ebenso:
    “Wer nicht weiß, wohin er will, darf sich nicht wundern, wenn er wo anders ankommt”! M. Twain!!!
    Eben auch eine Sicht. Und für mich waren Ziele immer wieder wichtig…und ebenso konnte ich sie auch wieder loslassen.
    Für ein sich treiben lassen…

  14. Andrea 15. Mai 2017 at 19:18 - Antworten

    Liebe Frau Hofert,
    durch Zufall bin ich gerade auf dieser Seite gelandet und das ist ein Thema was mich im Moment sehr beschäftigt. Und ich finde Ihre Aussagen doch auch sehr richtig.

    Ich habe Ziele gehabt – jedenfalls habe ich mir das eingebildet (übrigens auch zum großen Teil durch Coaching etc. erarbeitet !!) – und habe auch sehr darauf hin gearbeitet, nur um am Schluss feststellen zu müssen, dass diese Ziele wohl nicht so ganz die Richtigen (für mich) gewesen sind.

    Ich glaube, wirkliche Ziele setzt man sich nicht. Sie entstehen aus dem Herzen heraus ohne sie wirklich konkret formulieren zu müssen. Und ich glaube (und weiß es auch von mir von früher), dass der Maßstab für die richtige Richtung, in die man geht, der ist, dass einen absolut nichts von diesem Weg abbringen kann, man keine Zweifel hat und einem völlig egal ist was das eigene Umfeld davon hält (ohne dabei über Leichen gehen zu müssen!). Es sind Gefühl und Instinkt, die einen in die richtige Richtung leiten und dann ist man auch offen für das, was in seinem Umfeld passiert und kann Möglichkeiten wahrnehmen, die sich einem bieten.

    Leider habe ich wohl durch das Erlebte das Vertrauen in mein Herzgefühl verloren und die Ziele, die ich versuche für mich zu definieren, funktionieren einfach nicht. Ohne zumindest eine Richtung zu spüren, in die sein Leben gehen sollte, ist der Alltag ziemlich schwierig finde ich. Konkrete Ziele brauch man vielleicht nicht, aber eine Richtung schon – schon, damit das eigene Leben einen Sinn hat.

    Liebe Grüße
    Andrea

  15. Katrin Ohlhoff 10. Juni 2017 at 21:03 - Antworten

    Ich stimme Ihnen voll zu! Ziele verfolgen war noch nie mein Ding und ich habe mich lange falsch oder erfolglos oder eben nicht genug unternehmerisch gefühlt. Jedem das seine. Wer sich als Zielverfolger wohl fühlt, soll weiter machen. Ich möchte meinen Lebensweg lieber genießen :-). Macht mehr Spaß und weniger Stress. Die Dinge sich entwickeln lassen – wäre also ein weibliche Alternative.

  16. […] einer Weile las ich einen Blogbeitrag von Svenja Hofert über Zielorientierung im Coaching, der mich zum Nachdenken über meine Erfahrung in den letzten 4 Jahren Karriereberatung und […]

  17. Frederike 21. Juni 2023 at 5:21 - Antworten

    Eigentlich muss man nur wissen wohin man will, aber wie man da hin kommt, kann man ja offen lassen. Ich wollte neulich zu einem bestimmten Ort bei uns im Wald, aber eigentlich war es mir auch egal, wäre ich da nicht angekommen, weil der Wald gefällt mir ja sowieso. Ich bin einfach der Nase nach durch den Wald völlig planlos, nur die Wege, die mir gefallen haben. Und ich bin ohne Witz genau dort angekommen wo ich hin wollte. Das war magisch und ist für mich súper metaphorisch

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