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Weiblich bleiben und trotzdem hart sein: Frauen in Top-Etagen stecken im Teufelskreis (Interview)

Veröffentlicht: 22. Oktober 2015Kategorien: Psychologie

Sind Frauen im Top-Management vielleicht sogar schlimmer als Männer? Christian Mai  von der German Graduate School of Management and Law ist der Autor der in meinem letzten Beitrag über die dunkle Triade der Macht vorgestellten Studie, die Dax-30 Manager mit dem Durchschnittsmann vergleicht. Im Rahmen seiner Doktorarbeit beschäftigt er sich näher mit diesem Thema – und hat auch Führungsfrauen unter die Lupe des Persönlichkeitsscanners Big Five genommen. Ich habe ihn im Zug erwischt und ihm ein paar Fragen gestellt.

Frauen gelten als empathischer. Sind sie das wirklich – und gilt es auch für Frauen im Top-Management?

Christian Mai: Das Gegenteil ist der Fall. Frauen, die es sehr weit gebracht haben, sind härter als Männer. Sie haben dieselben Ausprägungen, die auch Männer haben – aber noch einmal verstärkt. Das heißt, sie sind noch weniger anpassungsfähig und verträglich, dazu noch gewissenhafter. Sie sind außerdem sehr cool, haben also eine hohe emotionale Ruhe.

In die Big Five übersetzt heißt das: Niedrige Verträglichkeit und hohe psychische Stabilität. Wie passt das zu dem Bild, dass Frauen, die nach oben wollen, immer wieder berichten, dass ihnen – beispielsweise aus dem Führungskräfte-AC – rückgemeldet wird, sie seien zu zaghaft?

Christian Mai: Um sich durchzusetzen, müssen Frauen sich noch mal härter zeigen als Männer, auch weil sie mit vielen Vorurteilen und Wahrnehmungsschemata konfrontiert sind. Dasselbe Verhalten kann unterschiedlich wirken – je nachdem, wer es aus welcher Geschlechterbrille betrachtet. Ein anderer Grund mag sein, dass Frauen sich tarnen müssen. Sind sie zu hart, gelten sie gleich als männlich. Und das verbaut ebenso die Chance nach oben zu kommen.

Ist das nicht wirklich schwer für Frauen…?

Christian Mai: Ein Teufelskreis, wahrlich. Gibt sich eine Frau so, wie sie laut ihrer Persönlichkeit wäre, so würde sie nicht mehr als weiblich gelten. Zu männlich wirken ist eben auch ein Tabu.

Wenn ich an die Fotos von Top-Managerinnen denke, mögen Sie Recht haben… Sie sind z.B. immer schlank. Insgesamt auffällig  attraktiver als Männer im Top-Management. Vom Gesicht abwärts aber wirken sie oft weniger weiblich, jedenfalls werden weibliche Vorzüge kaum betont. Immer Kostüm, oft zugeschnürt.

Christian Mai: Dazu kann ich natürlich nichts sagen, darum geht es in der Studie nicht. Aber unsere Untersuchung deutet darauf, dass die Ursache nicht in der Persönlichkeit liegt, sondern in einer geschlechtsspezifischen Wahrnehmung. Und offenbar passen die Frauen sich auch äußerlich an.

Eigentlich schreibt man Frauen ja auch keine negativen Management-Eigenschaften zu. Die Anwesenheit von Frauen im Vorstand börsennotierter Unternehmen soll ja sogar zu höherem wirtschaftlichem Wachstum und mehr Erfolg führen. Könnte das eine Scheinkorrelation sein?

Christian Mai: Durchaus. Tatsache ist, dass Frauen ebenso die Eigenschaften haben, die zur so genannten dunklen Triade zählen. Sie können damit durchaus auch Narzissten, Psychopathen und Machiavellisten sein. Sie leben es nur anders. Uns hat das Ergebnis ja selbst überrascht. Es war nicht unsere Hypothese. Jetzt wissen wir: Führungsattribute sind geschlechterunabhängig.

Wie kommen diese Leute, Frauen und Männer, durch ein Assessment Center? Wenn sich an der Spitze vor allem wenig verträgliche Männer und Frauen durchsetzen, wie stellen sie das an? Und wie überleben sie die ganzen 360Grad Feedbacks auf dem Weg nach oben?

Christian Mai: Verhalten ist das eine, Persönlichkeit das andere. Intelligente Menschen können ihr Verhalten kontrollieren und der Situation und den Erwartungen anpassen. Wie sie wirklich sind, zeigt sich dann oft erst viel später oder nur in unbeobachteten Situationen.

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

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